die gesellschaftskritik: Ohne hinzugucken
Diesen Monat gibt es ein Novum beim „Tor des Monats“ der ARD-Sportschau: Nominiert ist ein blinder Fußballer
Serdal Celebi, Fußballnationalspieler. Nie gehört? Könnte daran liegen, dass der 34-Jährige für seine Spiele nicht in den großen Stadien aufläuft, sondern auf kleinen Plätzen, 20 mal 40 Meter Grün. Serdal Celebi ist Blindenfußballer. Sein Tor aus dem Finalspiel der Blindenfußball-Bundesliga zählt nun zur Auswahl der ARD-Sportschau für ihr „Tor des Monats“. Es ist das erste Mal, dass ein Blindenfußballer in dieser Kategorie, die es seit 1971 gibt, nominiert ist.
Celebis Fuß klebt am Ball, er dribbelt einen Gegner aus. Als Blindenfußballer muss er sich im Spiel ganz auf sein Gehör verlassen. Wie in diesem Sport üblich trägt auch er eine Brille, die sicherstellen soll, dass alle Spieler tatsächlich gar nichts sehen können. Gegenspieler, die sich ihm nähern, rufen immer wieder „voy!“, gleichzeitig kommen Anweisungen vom Spielfeldrand. Wo sich der Ball gerade befindet, hört er nur an dessen eingebauten Rasseln. Celebi kennt das, er bleibt ruhig, schießt in den linken Winkel – Tor! Unhaltbar für den sehenden Torwart. Das 1:2 war der Anschlusstreffer für Celebis FC St.Pauli gegen den MTV Stuttgart.
Dieses Tor ist nun gemeinsam mit den fünf weiteren nominierten im Internet und Fernsehen zu sehen. Und damit bekommt der Blindenfußball eine Öffentlichkeit wie selten zuvor.
Dass die Sportart ein Nischendasein fristete – logisch, eigentlich, weil: keine reichen Sportbosse, ein Sportsgeist, der sogar Frauen in den Teams erlaubt – all das ist wahrscheinlich viel zu progressiv fürs testosteronlastige Geschäft. Es geht einfach um weniger Geld und weniger Skandale. Dass jetzt dank Celebis Tor mal wieder der Sport im Vordergrund stehen könnte, ist doch mal was. Sophie Spelsberg
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