Die Linke braucht mehr Basis: Alltagskämpfe in den Vordergrund
Linke Ideen und deutsche Lebensrealitäten klaffen noch immer auseinander. Auf die guten Wahlergebnisse muss die Partei jetzt mit Basisarbeit aufbauen.

Operation Silberlocke“ und ein intensiver Haustürwahlkampf – bei der Bundestagswahl hat die Linke ihre Stimmen verdoppelt. Auch die Neuaufstellung der Partei, die Klassenfrage wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken, scheint ein Hauptgrund für den Erfolg zu sein: Mietwucher-Check, Reichensteuer und Plakate, auf denen steht „Ist der Einkauf zu teuer, macht ein Konzern Kasse“.
studiert literarisches Schreiben in Leipzig. Sie ist Herausgeberin der Jahresanthologie des Deutschen Literaturinstituts Leipzig Tippgemeinschaft 2023.
Obwohl ich diesen Kurswechsel begrüße, erreicht die Linke noch nicht diejenigen, die am meisten unter sozialer Ungleichheit leiden. Die Zahlen zeigen eine klare Tendenz: Während 10 Prozent der Wähler*innen mit Hochschulabschluss die Linke wählten, waren es bei Hauptschulabsolvent*innen nur 5 Prozent. Auch jeweils 8 Prozent der Arbeiter*innen und der Personen mit mittlerer Reife haben ihr bei der letzten Wahl ihre Stimme gegeben.
Wer sich politisch organisiert, tut dies meist aus Überzeugung oder aus Notwendigkeit. Ein Blick in andere Länder, etwa auf die argentinische FOL, zeigt, dass sich aus einer Organisierung, die sich auf Alltagskämpfe fokussiert, eine klare Überzeugung entwickeln kann. Sie definiert sich als antifaschistisch und antipatriarchal, der Großteil ihrer Praxis besteht jedoch darin, Alltagskämpfe für ihre Mitglieder zu führen: Wohnungen und Essen organisieren zum Beispiel.
Dort, wo es um Notwendigkeiten geht, muss die Linke präsent bleiben. Die Kluft zwischen linker Theorie und der Lebensrealität vieler Menschen bleibt groß. Klassenpolitik in akademischen Kursen zu thematisieren, reicht nicht – sie muss praktisch und langfristig erfahrbar werden. Linke müssen aktiv in Jugendzentren, Vereinen, Tafeln und Gewerkschaften sein, mit Menschen über ihre Probleme reden und gemeinsam daran arbeiten.
Selbstermächtigung und die Verbesserungen der Bedingungen sind die ersten Erfolgsergebnisse, durch die sich aus Notwendigkeiten linke Überzeugungen aufbauen können. Die Erfahrung von Verbesserungen fördert nicht nur die Lebensqualität, sie hilft auch, Überzeugungen massenfähiger zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Grünen und die Schuldenbremse
Im Nein steckt eine Chance
CDU-Anfragen zu NGOs
Neue Offensive gegen die Zivilgesellschaft
Geplante Grundgesetz-Änderungen
Linke stellt Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht
AfD und Linke klagen in Karlsruhe
Schwächung der Opposition per Gesetzesänderung
Ukraine-Gespräche in Saudi-Arabien
Was Selenskyj noch bleibt
Leitantrag für Linken-Parteitag im Mai
„Kultur der revolutionären Freundlichkeit“