die Wahrheit: Die Messe der Autoautoren
Bekanntlich hat jedes Spiel sein Vorspiel und jede Freude ihre Vorfreude. Das gilt auch für Messen: Die Vormesse zur Buchmesse ist die Automesse (IAA) in Frankfurt.
Und wie es im Oktober auf der Buchmesse um Lyrik, Prosa und Drama geht, so dreht sich zuvor im September auf der IAA alles um Autolyrik, Autoprosa und Autodramen.
Die "Frankfurter Automobilisten-Zeitung" (FAZ) stieg mit einem Leitartikel auf der ersten Seite ins tragische Geschehen ein. Umweltschonende Antriebstechniken sind "nicht für kleines Geld zu haben". Diese Einsicht führt geradewegs in die Ausweglosigkeit der Tragödie: Wer morgen "ohne schädliche Emissionen fahrende Autos" verkaufen will, muss heute "hohe Profite einfahren". Nach dieser autogestrickten Logik kommen die Autohersteller nur zu ihrem Geld für das segensreiche und umweltschonende Auto der Zukunft, wenn die Autokäufer heute in "großen Massen" bereit sind, einen Haufen Geld für teure und schadstoffreiche Fahrzeuge hinzublättern. Diesem ebenso unerbittlichen wie tragischen Konflikt, heute die Zukunft zu verfüttern, um morgen ins Paradies zu kommen, entgeht kein Fahrer.
In der Abteilung Autoprosa geht es gattungsgerecht prosaischer zu. Autoprosaisch kommt der Mazda2 daher wie ein Roman Milan Kunderas - mit der "Leichtigkeit des Seins: Rund hundert Kilo ist der frisch-dynamisch gezeichnete Mazda2 leichter als der kubische Vorgänger." Auch "der Bulle aus Paris" mit dem Zunamen Citroën hat kein Gewichtsproblem, sondern "die Leichtigkeit des Seins" mit einem Cabrio, um "die schweren Aufgaben des Lebens antriebstechnisch auf der Höhe der Zeit" anzugehen. Vom tragischen Urkonflikt wendet sich ab, wer sich "für das kontrollierte Muskelspiel" mit 420 oder 580 PS (BMW M3, Audi RS6) entscheidet oder gleich "die gute Tat" begeht, einen Fabia Combi von Skoda kauft und "für den etwas anderen Auftritt den etwas anderen (höheren) Preis gern in Kauf" nimmt. Alles nicht so tragisch. Geht doch, tut nicht weh.
Ins Ressort Autoprosa passt auch der autogerechte Leer- oder Plattsatz: "Gegenüber den Hybriden ist durchaus Skepsis angebracht, denn ihre Technik ist eine Mischung aus Benzin- und Elektroantrieb." Genau, das hatten wir uns auch gedacht, denn nach der griechischen Wurzel meint das Wort "hybrid" zwar "überheblich", aber nach der lateinischen schlicht "Gemischtes". Der autogerechte Plattsatz heißt also ins Deutsche rückübersetzt: Gegenüber den Gemischten ist Skepsis angebracht, denn ihre Technik ist eine Mischung.
Die Königsdisziplin der Autoliteratur ist die Autolyrik. Wer "das Völlegefühl unter der Haube" nicht kennt, wer von einem "frech-flotten Karosseriekleid" nicht in einen wollüstigen Taumel versetzt wird und wer in den "Lenden des Löwen" nicht "Muskeln wie Schwellkörper" erspürt, ist für das autolyrische Fach für immer verloren. Hier tummeln sich "nützliche Wesen" und "Nutztiere", die "höflich sind zu ihren Menschen".
In diesem Fach dreht sich das Rad und das eine zum andern: Das Vehikel läuft "wie ein Zwölfer, trinkt wie ein Sechser" und ist höflich zum Fahrer, der sich erkenntlich zeigt, für zwölf säuft und für sechs frisst, bevor er seinem "Nutztier" den Bleifuß gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!