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der rote faden Das sindgar keine Angeln

Nächste WocheRieke Havertz Foto: Stefan Boness

Durch die Woche mit Daniel Schulz

Das sind gar keine Angeln. Das sind Gewehre. Eigentlich logisch, schließlich trinken wir hier mit Soldaten knapp hundert Kilometer hinter der Front. Aber diese langen Futterale in Tarnfarben, die habe ich zuletzt als 18-Jähriger gesehen, da stopften wir unsere Stippen und Wurf­ruten hinein, wenn wir wenigstens einen Belegbarsch im Kescher hatten.

Schau mal, wir haben etwas gefangen. Sekunden nur dauert die Illusion, dann drückt mir einer der beiden eines dieser Teile in die Hand, ich soll das Ding mal in die Ecke stellen, zu schwer für eine Angel, und die Form stimmt auch nicht. Die hellen Holzmöbel sind real, die ikeahafte Nüchternheit, das angeschrammelte Raufasergelb der Wände.

Die beiden Milizionäre des Rechten Sektors sind real, wir wohnen im selben Hotel. Ein deutscher Journalist, der angeblich über ein Theaterprojekt schreibt, eine Gruppe, die im Westen mit dem Hilflos­attri­but „ultranationalistisch“ beschrieben wird, es gibt ein beidseitiges Interesse.

Belegbarsch

Sie spielen Gitarre, Lieder von Kampf und trauriger Liebe, eine Regisseurin, eine Kamera­frau, eine Dramaturgin kommen dazu. Es gibt Wodka und Wurst, die Milizionäre erzählen von der Angst vor Kämpfern aus Tschetschenien, von der beschissenen Stimmung an der Front. Es ist wie am Lagerfeuer, nur sind die Angeln eben Gewehre.

Am vergangenen Sonnabend hat es in der Ukraine wieder drei Tote gegeben. Nicht im Osten, sondern im Westen, in der Kleinstadt Mukatschewe. Es schossen Mitglieder des Rechten Sektors auf ukrainische Polizisten und umgekehrt. Einer der Männer, die damals im April im Hotel Gitarre spielten, sagt, der Rechte Sektor habe in Mukatschewe eine Basis der separatistischen Donezker Voks­re­pu­blik angegriffen.

Politikanalysten aus der Ukra­i­ne sagen, es gehe um einen Konflikt zwischen dem von Präsident Poroschenko angeführten Staat und der Miliz, die das Gewaltmonopol dieses Staates nicht anerkennt. Journalisten aus der Ukraine sagen, es gehe um den seit Jahrzehnten lukrativen Schmuggel in der Stadt, u. a. von Zigaretten. Abgeordnete des Parlaments in Kiew gelten ihnen als „Paten“ dieses Geschäfts, und der Rechte Sektor habe einen Teil davon übernehmen wollen. Andere Sprecher des Rechten Sektors behaupten, man habe die Korruption und den Schmuggel in der Region stoppen wollen. Das Regime Poroschenko sei korrumpiert. Der Innenminister solle seinen Posten räumen.

Mukatschewe

Wir müssen an irgendetwas glauben. Das haben die drei Künstlerinnen gesagt, alle drei mit politisch eher linken Ansichten. Es sei Krieg, im Osten Putins Truppen, im eigenen Land mächtige Wirtschaftsbosse, deren Ziele nicht durchschaubar seien. Wem also ­glauben?

Eigentlich kann der Staat keine bewaffneten Gruppen neben Armee, Polizei und Nationalgarde dulden. Aber dieser Staat ist korrupt und brutal. Seine Polizisten sind das auch, und zwar in solchem Ausmaß, dass die Ukraine gerade versucht, eine neue Polizei aufzubauen. Die alte Polizei verdient am Schmuggel mit.

Die Kämpfer des Rechten Sektors haben während des Aufstandes auf dem Maidan viele Menschen vor den Regie­rungs­truppen beschützt. Sie haben mit ihnen im Winter gesungen, Gitarre gespielt und Wodka getrunken. Manche vergleichen sie mit japanischen Samurai, ehrenhaft und nicht korrumpierbar, um gleich danach die niedrigen Wahlergebnisse und den geringen Einfluss des Rechten Sektors zu betonen, denn so ganz geheuer sind einem diese Samurai auch wieder nicht. Irgendwie muss sich diese Miliz finanzieren, der Krieg im Osten dauert schon lange, die Währung verliert weiter an Wert. Was ist, wenn die Spenden aus der Bevölkerung nicht reichen?

Der Rechte Sektor

Irgendwann greifen solche Gruppierungen auf kriminelle Methoden zurück. Die linke Farc in Kolumbien hat das ebenso getan wie die IRA in Irland.

Die meisten ukrainischen Journalisten arbeiten für Medien, die Oligarchen gehören. Wenn sie etwas publizieren, liest oder hört man das, was ihre Geldgeber sagen.

Odessa

Wem also glauben?

Präsident Poroschenko hat einen Vertrauten in die Gegend um Mukatschewe gesandt. Das versucht er schon in Odessa, mit dem umstrittenen georgischen Expräsidenen Saakaschwili, den Poroschenko noch aus Stu­dienzeiten kennt. Das ist Vetternwirtschaft. Sollte die Entsendung aber ernst gemeint sein, dann müssen es Männer mit Staatsapparaten aufnehmen, in denen das illegale Geschäft Standard ist. Da ist es doch gut, wenn wenigstens persönliche Loyalität sie an ihre Aufgabe bindet.

Oder?

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