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der fall diepgenIn schlechter Gesellschaft

Adenauer mussten sie in der CDU mehr oder minder aus dem Amt tragen. Kohl wollte nicht einsehen, dass Schäuble der bessere Kandidat für die Wahl gewesen wäre. Und Biedenkopf machte sich in Sachsen vom intellektuellen Landeschef zur Lachnummer. Abschreckende Beispiele für Machthunger und Realitätsverlust gab es für Eberhard Diepgen genug.

Kommentarvon STEFAN ALBERTI

Doch auch ihn machten die Jahrzehnte im Politgeschäft betriebsblind. Sonst hätte er mitbekommen, dass es nicht nur Einzelne waren, die ihn nicht länger vorne sehen wollen. Hätte gewusst, auf wen er tatsächlich hören muss. Hätte gemerkt, wie dünn das Eis unter ihm wurde. Stattdessen setzte Diepgen darauf, dass ihm die alten Strippenzieher der Partei wie gewohnt eine Mehrheit zusammenzimmern.

Doch das klappte dieses Mal nicht. Zu viele Abgeordnete, zu viele Stadträte hatten im Oktober ihre Posten verloren. Die wollten nicht zusehen, wie sich Diepgen nicht nur weigert, die Verantwortung für das Wahldesaster zu übernehmen, sondern auch noch seine Karriere im Bundestag fortsetzt. Als Diepgen zudem nicht nur Spitzenkandidat sein wollte, sondern Günter Nooke auch noch aus dem prestigeträchtigen Wahlkreis Mitte verdrängte, war endgültig Schicht im Schacht. Doch Diepgen mochte nicht hören, auch nicht über goldene Brücken gehen, die ihm noch am Samstag errichtet wurden.

Dass die Delegierten ihn dann durchfallen ließen, ist nur konsequent. Sie haben ihn weder abgeschlachtet noch heimtückisch gemeuchelt. Die Parteibasis hat auf diese Weise gezeigt, dass die CDU ihre derzeitige Agonie überwinden kann. Nun muss die Spitze nachlegen und zur Nachfolge Tacheles reden – und zwar schnell.

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