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das wird„Patriarchale Gewalt ist ein Männer-Problem“

Die Tän­ze­r*in Quindell Orton untersucht in einer Performance männliche Gewalt

Von Katrin Ullmann

taz: Quindell Orton, warum beschäftigen Sie als Frau sich in Ihrer Lecture Performance „Making of a Man“ mit Männlichkeit – und nicht mit Weiblichkeit?

Quindell Orton: Allzu oft werden Geschlecht, geschlechtsspezifische Machtverhältnisse und geschlechtsspezifische Gewalt als FLINTA-Themen dargestellt, was allerdings nicht der Fall ist. Diese Perspektive schränkt den Kampf gegen die Ungleichheit der Geschlechter ein. Ich halte es für wichtig, zu schauen, wo die Macht genau verortet ist. Ähnlich wie Rassismus ein Problem der Weißen ist, denke ich, dass Patriarchat auch ein Problem der Männer und Männlichkeit ist. Aber ich sehe Männlichkeit auch nicht als etwas, das außerhalb von Frauen liegt, und versuche in meiner Performance zu hinterfragen, warum Männlichkeit nur als etwas für Männer angesehen wird. Denn wer definiert das?

taz: Und wie kann ich mir das auf der Bühne vorstellen? Sie sind Tänzerin, also tanzen und sprechen Sie abwechselnd, oder ähnelt Ihre Performance eher einem Vortrag?

Orton: Die Aufführung beginnt wie ein TED-Talk, also ein Vortrag, der sich einen Weg durch Popkultur, Politik und persönliche Interviews bahnt. Anschließend erkunde und hinterfrage ich die doch ziemlich undichten Gefäße, die wir für die männliche Identität erschaffen haben. Dafür verbinde ich Tanz, Video, Spoken Word und Live-Kamera miteinander.

taz: Ist es möglich, Männlichkeit auf der Bühne darzustellen, ohne auf die gängigen Klischees zurückzugreifen? Und wenn ja, wie?

Performance „Making of a Man“: 1. 10., 20 Uhr, Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23

Orton: Das habe ich mich oft gefragt. Ja, ich denke schon, dass das geht. Aber ich interessiere mich auch für Klischees, da wir dadurch gemeinsame Referenzen haben, über die wir sprechen können. Wir können und müssen diese Klischees hinterfragen und herausfinden, wie sie eigentlich entstehen, beziehungsweise wie sie konstruiert werden. Ich denke, es geht nicht so sehr darum, keine Klischees zu haben, sondern darum, für diese andere Darstellungen zu finden und die Grenzen dieser Bilder zu verwischen. Klischees sind eine Vereinfachung und Verflachung von jemandem oder etwas, und ich finde es interessant, die Komplexität und die Überschreitungen anzuerkennen, die tatsächlich vorhanden sind.

taz: In „Making of a Man“ möchten Sie auch die „verletzlichen Seiten der Männlichkeit“ zeigen.

Orton: Ich glaube, dass starre Geschlechterrollen alle einschränken und dass Männlichkeit oft mit Stärke gleichgesetzt wird, was zu Unfähigkeiten führt, die ihre eigenen Nachteile mit sich bringen. Und das hängt wiederum mit der vorherigen Frage zusammen: Die verletzliche Seite ist Teil der Komplexität von Männlichkeit.

taz: Glauben Sie, dass eine Performance wie Ihre in den Köpfen des Publikums etwas verändern kann?

Foto: Gabriela Neeb

Quindell Orton Tänzer*in und Choreograf*in, lebt in München und Athen, geboren in Australien.

Orton: Ich hoffe, dass sie zumindest Fragen aufwirft. Dass sie die Vorstellung hinterfragt, dass Männer so und Frauen so sind, weil es in ihrer Natur liegt, und dass sie die Über-Identifikation mit einigen dieser stereotypen Bilder und Verhaltensweisen in Frage stellt. Vielleicht können wir innerhalb dieser so sehr festgelegten Identitäten mehr Raum schaffen.

taz: Findet auch deshalb nach der Aufführung ein Publikumsgespräch statt?

Orton: Es wird kein formelles Gespräch sein, aber ich werde da sein, um mich mit den Zu­schaue­r*in­nen auszutauschen, und ich hoffe, dass die Leute bleiben, um über diese Themen zu reden.

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