das wird: „Bäume werden älter, wenn man ihnen einen Namen gibt“
Bäume sind Teil der Stadtgesellschaft und kommen in der Soundinstallation „Parlament der Bäume“ in Hamburg zu Wort. Sie haben viel zu erzählen, weil sie länger da sind als die Spanne eines Menschenlebens
Interview Wilfried Hippen
taz: Julia Nordholz, warum lassen Sie in ihrem Kunstprojekt Hamburger Bäume mit den Stimmen von Schauspieler*innen wie Lisa Hagmeister und Bjarne Mädel sprechen?
Julia Nordholz:Mir ist es wichtig, dass wir den Bäumen als einem Teil unserer Stadtgesellschaft zuhören. Es geht darum, sich einmal in ihre Position hineinzuversetzen und sich so Gedanken über die Stadtnatur zu machen.
taz: Ist es für Sie der Idealfall, wenn jemand nichts ahnend spazieren geht und plötzlich eine Stimme hört, die aus einem Baum kommt?
Julia Nordholz: Genau. Wenn man in der Stadt plötzlich einen Baum sprechen hört, sorgt das für eine Verwirrung auf der künstlerischen Ebene, die dann dafür sorgt, dass einige Menschen innehalten und zuhören.
taz: Sind Ihre sprechenden Bäume nicht auch eine Lärmbelästigung?
Nordholz: Sie haben nicht an allen Orten Lautsprecher, denn wir wollen ja keine Dauerbeschallung in den Wohngebieten machen. Aber man kann die Tonspur auch über die mobilen Geräte hören.
taz: Und was erzählen die Bäume so?
Installation „Parlament der Bäume“, Eröffnung 8. August um 18 Uhr im Alten Botanischen Garten im Hamburger Park Planten un Blomen, Eingang U-Bahn-Station Stephansplatz.
Nordholz: Ich habe für ihre Texte in verschiedenen Hamburger Stadtarchiven recherchiert. Diese alten Bäume sind ja schon viel länger Teil der Stadtgesellschaft als die Zeitspanne eines Menschenlebens, und so haben sie einen umfassenderen Blick auf die Entwicklung der Stadt.
taz: Welcher Baum ist denn der Älteste in Ihrem Parlament aus Holz?
Nordholz:Die Klopstock-Linde in Altona wurde 1805 auf dem Grab des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock gepflanzt. Und ich erzähle in dem Text nicht nur Geschichten zu dem Baum selber, sondern auch zu der Stadtgeschichte um ihn herum, denn in der fanden in den 220 Jahren viele Transformationen statt.
taz: Sie geben ja vor allem bekannten Bäumen wie auch der Lehmann-Platane in Planten un Blomen eine Stimme. Gibt es auch bei Bäumen einen Promi-Bonus?
Nordholz: Tatsächlich ist es wissenschaftlich belegt, dass Bäume älter werden, wenn man ihnen einen Namen gibt. Sie werden dann als etwas Besonderes angesehen und wie ein Ehrenmal behandelt. Heute passiert es aber kaum noch, dass Bäume einen Titel bekommen und auch davon erzählt die Klopstock-Linde aus ihrer Sicht.
taz: Mit den Sprachaufnahmen der Schauspieler*innen, der technischen Ausstattung und einem Beiprogramm mit Workshops und Performances scheint das ja ein ziemlich aufwendiges Kunstprojekt zu sein. Steckt da viel Fördergeld drin?
Nordholz:Nein. Ich bin gut vernetzt, weil ich schon in vielen verschiedenen Kultursparten in Hamburg gearbeitet habe. Ich bin zum Beispiel Sounddesignerin und konnte die Sprachaufnahmen ziemlich günstig machen. Außerdem gehöre ich zu einem Kollektiv, in dem ich die Elektronik zusammengebastelt und die Software selber programmiert habe. Und ich habe als Schauspielerin am Thalia Theater gearbeitet und kenne da viele Kolleg*innen. Bjarne Mädel habe ich bei Dreharbeiten kennengelernt und ihn einfach mal gefragt, ob er nicht Lust hat mitzumachen. Denn er würde einen klasse Baum abgeben.
taz: Und wie kommt es, dass Sie so vernarrt in Bäume sind?
Julia Nordholz: Ich komme aus einem Dorf in Niedersachsen, in dem es mehr Bäume als Einwohner gibt. Dort bin ich schon früh auf die Bäume geklettert und habe im Wald rumgebutschert. Wie mein Name schon sagt, gehöre ich in den Wald und fühle mich auch wie ein Nordholz.
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