das wird: „Ein großer Teil der Angriffe ist plumper, physischer Natur“
Wenn Rechte gegen die Kulturszene agitieren, hilft nur Solidarität
Interview Lotta Drügemöller
taz: Frau Fröhlich, haben Sie Ihr Grußwort für das Symposium in Hamburg umgeschrieben?
Paulina Fröhlich: Sie meinen, weil Wolfram Weimer Kulturstaatsminister geworden ist?
taz: Ja, in seiner Besetzung sehen viele einen Kulturkampf von rechts oben. Da gewinnt eine Debatte rund um Resilienz für die Kunstszene doch an Brisanz …
Fröhlich: Ich werde auf jeden Fall darauf eingehen. An den Erkenntnissen unserer Studie zur antidemokratischen Agitation gegen Kultur, von der ich berichten soll, hat sich aber nichts geändert.
taz: Wo sehen Sie denn die Bedrohungen?
Fröhlich: Ein großter Teil der Angriffe ist plumper, physischer Natur: Das fängt an bei Vandalismus, Aufführungen werden gestört, Menschen werden beleidigt und bedroht. Das sind konkrete Straftatbestände, die muss man sehr ernst nehmen und zur Anzeige bringen.
taz: An so einer Art Widerstand kann man sich als Künstlerin doch reiben, nach dem Motto: Jetzt erst recht.
Fröhlich: Die Angriffe haben durchaus zu Aha-Erlebnissen geführt: Wir alle sind gemeint. Daraus erwächst ein starker Wille, aktiv zu werden für die Demokratie. Trotzdem: Niemand empfindet diese Agitation als Bereicherung.
taz: Ist eine Bedrohung aus der Politik selbst schwerer zu kontern?
Fröhlich: Ja. Sie ist ja in der Regel legal, schüchtert aber ebenso ein, weil Kultur von Fördergeldern aus der Politik abhängig ist.
Symposium „Zur Bedeutung der Kunst für eine krisenständige Demokratie“, Samstag, 13 bis 18 Uhr, Kunsthaus Hamburg
taz: Dann geht es direkt an die Existenz.
Fröhlich: Genau, neben tätlichen Angriffen und Mittelkürzungen gibt es aber auch subtilere Bedrohung durch politische Einmischung. In Kleinen Anfragen wird dann in Länderparlamenten gefragt, welche Staatsbürgerschaft die Mitglieder eines Ensembles haben oder welche politische Vergangenheit ein Künstler hat. Auf strategische Einschüchterungsversuche folgt bei vielen eine Selbstzensur – aus Angst vor Verletzung des Neutralitätsgebots.
taz: Das gilt doch für die Kultur nicht, oder?
Fröhlich:Gemeinnützige Einrichtungen sind an das Gebot gebunden. Neutralität heißt aber nicht Wertfreiheit. Hier braucht es mehr praktisches Wissen. Bei der Resilienz gegenüber Agitationen gegen Kunst- und Kultureinrichtungen haben wir ein starkes Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land, Ost und West: Eine Kultureinrichtung im ländlichen Raum Ostdeutschlands hat ganz andere Herausforderungen, eine niedrigere Resilienz als eine in Hamburg-Winterhude. Überregionale Netzwerke können helfen, handlungsfähig zu bleiben.
taz: Sie fordern Solidarität.
Fröhlich: Ja, ob es nun um einen Austausch von Ensembles und Ausstellungen geht oder ob man gemeinsam Fortbildungen macht: Es hilft, wenn man merkt, dass man nicht alleine da steht. Der Blick von außen kann das Selbstbewusstsein stärken.
taz: Weimer setzt offenbar auf kulturelle Identität durch Abstammung. Müssen sich konkret migrantische Stimmen in der Kultur darauf einstellen, dass ihre Projekte es schwerer haben werden?
Fröhlich: Weimer agitiert offen gegen Leute mit bestimmten Merkmalen. Ich verstehe jeden, der sich da große Sorgen macht. Aber meine Hoffnung wäre, dass er im Amt gar nicht so viel Wind macht: Wenn er zu radikal ist, wird er zur Gefahr für Friedrich Merz; dann ist er morgen wieder weg. Ich sorge mich deshalb bei dieser Besetzung fast weniger um die Person als um die Entscheidung selbst.
taz: Wie meinen Sie das?
Fröhlich: Es handelt sich nicht um einen Politiker, der mit einem Amt versorgt werden musste. Nein, es ist eine explizite Wunschbesetzung. Aber worauf beruht dieser Wunsch? Bekannt ist Weimer für sein kulturkämpferisches Agieren. Ich komme auf keine andere Erklärung, als dass Merz das Ziel verfolgt, durch das Kopieren von populistischer Sprache und Kulturkampf die AfD zu schwächen.
taz: Immerhin eine Strategie?
Fröhlich: Es gibt weltweit keinen Beleg dafür, dass das funktionieren kann. Das stärkt nur das Original. Ein Kanzler, der das nicht verstanden hat, wird uns noch ganz andere Probleme machen.
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