piwik no script img

das wird„Klar gewaltsame koloniale Kontexte“

Museumsleute diskutieren, wie es mit verdächtigen Stücken weitergeht

Interview Benno Schirrmeister

taz: Herr Sprute, die acht Museen, in denen Sie einen Erst-Check durchgeführt haben, stehen sonst kaum im Fokus von kolonialer Provenienzforschung …

Sebastian Manès Sprute: Vor allem, weil sie weder die finanziellen Mittel noch die personellen Ressourcen dafür haben. Aber auch, weil die Aufarbeitung der Herkunftskontexte der gigantischen Menge an hierzulande verwahrtem kolonialzeitlichem Kulturgut bisher noch nicht so weit gekommen war, sich auch mit den zahlreichen kleineren Sammlungen zu befassen.

taz: Weder in der Kunsthalle Emden noch im ostfriesischen Teemuseum hätte ich Afrika-Sammlungen erwartet …

Sprute: Das liegt in beiden Fällen an Einzelpersonen, deren Sammlung den Häusern vermacht worden sind. Beim Teemuseum handelt es sich vor allem um Waffen aus der Sammlung von Jan ten Doornkaat-Koolmann III.

taz: … aus der Schnapsbrenner-Dynastie ...

Sprute: Der war auch Oberhaupt der Mennoniten-Gemeinde, und da ist der Besitz von Waffen eher ungern gesehen. Deswegen hat er kein großes Aufhebens um die Sammlung gemacht. Auf drei der elf afrikanischen Objekte im Teemuseum konnte ich alte Auktionsmarken ausmachen, sonst gibt es keine Anhaltspunkte, woher Doornkaat sie bekam. Die ethnographische Sammlung des Kunstmuseums kommt aus dem Nachlass des ehemaligen Stern-Redakteurs und Gründers des Geo-Magazins, Rolf Gillhausen. Die 20 afrikanischen Skulpturen und Masken wurden in den 1960ern im Kunsthandel erworben, bei Auktionshäusern – und die sind meist der Tod der Provenienzforschung. Da verliert sich die Spur sehr oft – jedenfalls war es nicht möglich, im Rahmen dieser Untersuchung die Geschichte über alte Auktionskataloge nachzuvollziehen.

Fachtagung „Erhärteter Verdacht und nun? – Bilanz eines Erstchecks zu afrikanischen Objekten aus kolonialen Kontexten in Niedersachsen“, Kunsthalle Emden, 26. 3., ab 11 Uhr, Podiumsdiskussion ab 14 Uhr

taz: Das kann ein Erst-Check nicht leisten?

Sprute: Unter Umständen schon, ich habe aber angesichts der Menge an zu bearbeitender Objekte und zahlreicher vielversprechender Spuren in anderen Teilbeständen keine Zeit dafür gefunden, dies zu prüfen.

taz: Macht es bei manchen Spuren vielleicht keinen Sinn, sie weiter zu verfolgen?

Sprute: Ja, das ist so. Wenn die historische Dokumentation so lückenhaft ist, dass sich kein Hinweis auf die Herkunft finden lässt, wenn die Datenlage zu schlecht ist, dann lässt sich nur feststellen: Wir können den ursprünglichen Erwerbungskontext nicht klären. Lückenhafte Sammlungsdokumentationen sind dabei weit verbreitet. Im Museum Goslar gab es laut Inventarbuch beispielsweise rund 80 Einträge zur ethnografischen Sammlung, die direkt aus dem Krieg der Deutschen gegen die Herero und Nama stammten. Darüber hinaus etwa 400 Objekte aus Kamerun, die über einen Kolonialoffizier dorthin gelangten, der auf Strafexpeditionen Kriegsbeute „sammelte“.

taz: Klingt nach einer klaren Sache?

Foto: v. Jutrczenka/dpa

Sebastian Manès Sprute

Jahrgang 1979, ist Provenienzforscher und promovierter Afrikanist.

Sprute: Bloß: Die Objekte waren nicht da. Wir haben schließlich festgestellt, dass sie 1974 an andere Museen in Mannheim und Heidelberg weitergegeben wurden. Im Küstenmuseum Wilhelmshaven bietet sich wieder ein anderer Fall. Hier wissen wir, dass es eine klar kolonialrevisionistische Ausrichtung hatte. Deshalb hat man dort 1935 unter anderem gezielt Objekte aus dem Nachlass eines Kriegsverbrechers, des damals als Kolonialheld geltenden Hans Dominik, erworben. Aber infolge von Kriegseinwirkungen und unzureichender Dokumentation lassen sich viele dieser Gegenstände nicht mehr zuordnen. Da hat man klar gewaltsame koloniale Kontexte vor Augen, kann sie aber nicht mit Händen greifen.

taz: Aber Erst-Check verspricht eine Fortsetzung. Wie sollte es weitergehen?

Sprute: Ein sinnvolles Folgeprojekt wäre, das frühe koloniale Sammeln an der Küste zu untersuchen: In der „Naturforschenden Gesellschaft zu Emden von 1814“ beispielsweise oder dem „Fehn- und Schiffahrtsmuseum Westrhauderfehn“ haben wir Objekte, die oft noch vor dem staatlichen deutschen Kolonialismus von Seefahrern und anderen Leuten direkt in den Kolonien erworben wurden – und vermutlich auch die bürgerlichen Sammlungen wie die von ten Doornkaat beliefert haben. Diesen frühen Sammelimpuls in der ostfriesischen Landschaft tiefer zu erforschen, fände ich spannend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen