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das wird„Betroffene werden beschuldigt“

Verharmlost, toleriert und normalisiert: Iris Hannig über den Mord von Frauen durch (Ex-)Partner

Iris Hannig

59, Leiterin der Opferhilfe Hamburg, ist Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Traumatherapie.

Interview Henrike Notka

taz: Frau Hannig, was unterscheidet geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen von der gegen Männer?

Iris Hannig: In Bezug auf den sozialen Nah­raum und Paarbeziehungen betrifft Gewalt viel häufiger Frauen als Männer.

Wovon sprechen wir da?

Von schwerer körperlicher Gewalt, die mit Kontrolle, mit Demütigung und mit der Einschränkung des Lebensraums der Frau einhergeht. Sie macht körperlich und seelisch krank und viel zu oft kommt es zur Tötung, sprich zum Femizid: Alle drei Tage wird eine Frau durch ihren (Ex-)Partner umgebracht.

Wie lassen sich Femizide verhindern?

Lösungen müssten auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen, da Gewalt allgegenwärtig ist. Eine bundesweite Koordinierungsstelle, um Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen zu koordinieren, halte ich für sinnvoll. Mädchen und Frauen müssen weltweit in ihrer Selbstentwicklung gestärkt werden und ihrem Recht, über sich selbst zu entscheiden. Hier sollte schon im Kindergarten mit präventiven Konzepten zu jeglicher Form von Gewalt angesetzt werden – die gesamte Zivilgesellschaft muss in dieser Hinsicht sensibilisiert werden. Schließlich werden noch immer Betroffene nach sexualisierter Gewalt beschuldigt, sie hätten nicht so einen kurzen Rock anhaben dürfen oder nicht nachts unterwegs sein sollen. Die Rechtsprechung ist hier zum Teil auch eine Katastrophe und sehr täterorientiert.

Bräuchte es auch eine andere Erziehung von Jungen?

Unbedingt! Es gibt den plakativen Satz: Schützt nicht eure Mädchen und Frauen, sondern erzieht eure Männer und Jungs. Dazu zählt auch, dass die weiche Seite eines Mannes gesellschaftsfähig werden muss.

Wo finden Überlebende Hilfe, zum Beispiel in Hamburg?

Das Schutz- und Beratungssystem in Hamburg ist relativ gut. Trotzdem reichen gerade die Frauenhausplätze nicht aus. Damit sie guten Schutz für die Frauen garantieren, sind sie in ganz normalen Gebäuden untergebracht, die Adressen sind anonym. Außerdem gibt es das bundesweite Hilfetelefon und diverse Beratungsstellen, die auf www.hamburg.de/opferschutz zu finden sind. Hier wird auch interkulturelle Beratung mit der jeweiligen Erstsprache angeboten. Diese Möglichkeiten müssten aber alle noch bekannter werden, denn viele wissen nichts davon oder schämen sich zu sehr, um sie in Anspruch zu nehmen. Schuldgefühle hindern viele und führen zu Isolation.

Fühlen sich Betroffene bei Schutz- und Beratungsstellen gut aufgehoben?

Gespräch „Der Mord an Frauen hat einen Namen: Femizid“ mit Julia Cruschwit (Journalistin und Autorin) und Iris Hannig: Do, 28. 4., 19 Uhr, Hamburg, Fabrique im Gängeviertel (3G-Regeln, Maskenpflicht)

Bundesweites Hilfetelefon für Betroffene: ☎ 0800/ 011 60 16

Was wir selbstverständlich machen, ist die Betroffenen ernst zu nehmen und versuchen sie zu schützen. Natürlich können wir nicht verhindern, dass sie in die Gewaltbeziehungen zurückkehren. Die gehen mit sehr ambivalenten Gefühlen einher: Neben der Gewalt gibt es auch Liebe – und Hoffnung.

Worauf?

Darauf, dass sich der Partner ändert, dass er aufhört. Deshalb haben wir professionelle und erfahrene Mitarbeiter:innen.

Wie steht es um die Sensibilisierung von polizeilichen Anlaufstellen?

In Hamburg gibt es Sach­be­ar­bei­te­r:in­nen für Beziehungsgewalt, die die Schutz- und Beratungsstellen kennen. Auch das Opferschutzreferat der Polizei arbeitet daran, die eigene Sensibilität zu erhöhen. Es gibt jetzt auch eine externe Beschwerdestelle, in der Sozialpädagog:in­nen arbeiten, nicht Polizeibeamt:innen. Bei einer Anzeige empfehlen wir allerdings immer, vorher bei der jeweiligen Stelle nachzufragen, weil die generelle Sensibilität natürlich völlig unterschiedlich ist.

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