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das portraitNoosha Aubel gewinnt Stichwahl um Potsdams Rathaus

Foto: Martin Müller/imago

„Wir sind Oberbürgermeisterin. Wahnsinn – Wow – Danke!“, textet Noosha Aubel auf Instagram, auf einem Barbie-pinken Hintergrund funkelt eine goldene Discokugel. Der Jubel ist berechtigt: Mit rund 73 Prozent der Stimmen gewann die 49-Jährige am Sonntag die Stichwahl um den Chefposten in Potsdam gegen den SPD-Kandidaten Severin Fischer.

Dass sie als Parteilose angetreten sei, habe zu ihrem Erfolg beigetragen, sagte Aubel dem Sender RBB. Unterstützt wurde sie im Wahlkampf von den Grünen, der Lokal-Partei „Die Andere“, von Volt und dem Sarah-Wagenknecht-nahen „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“. Keine ganz einfache Kombination, daher will Aubel nach ihrer Wahl auf „wechselnde Mehrheiten und sachorientierte Entscheidungen“ setzen.

Für die gebürtige Hannoveranerin bedeutet der Wahlsieg die Rückkehr nach Potsdam. Dort hatte sie zwischen 2017 und 2023 in der Verwaltung als Beigeordnete für Bildung, Kultur, Jugend und Sport gearbeitet. Nach Streit mit dem damaligen Oberbürgermeister Mike Schubert schied sie 2023 aus dem Beamtenverhältnis aus. „Ich habe festgestellt, dass ich mit meiner Arbeit nicht mehr die Wirkung erzielen konnte, die Sie als Bür­ge­r*in­nen erwarten dürfen“, erklärte sie die Entscheidung auf ihrer Homepage.

Nach einer kurzen Station bei einer Stiftung wechselte Aubel, die Erziehungswissenschaften und Organisationsmanagement studiert hat, im Sommer 2024 als Stadträtin nach Flensburg. Die dortige Ratsversammlung hatte sie mit einem dicken Strauß Vorschusslorbeeren und fast einstimmig gewählt. Nach der Wahl an diesem Sonntag gratulierte der Flensburger Oberbürgermeister Fabian Geyer (parteilos) seiner künftigen Amtskollegin in Potsdam und bedauerte gleichzeitig den Verlust einer „engagierten und tatkräftigen Kollegin“. ­Aubel habe seit ihrem Amtsantritt binnen Kurzem viele Themen angepackt und spürbar vorangebracht.

Als Stadträtin und Dezernentin für Bildung, Integration, öffentliche Dienste und Sicherheit besetzte Aubel den dritthöchsten Verwaltungsposten der Stadt. Zu ihren Aufgaben gehörte ein Konzept für den Südermarkt im Stadtzentrum, der sich in den vergangenen Jahren zu einem Treff für Wohnungslose, Alkohol- und Drogensüchtige entwickelt hatte. Für die Betroffenen neue Hilfsangebote zu schaffen und das Sicherheitsgefühl der Beschäftigten der umliegenden Geschäfte zu verbessern, sei eines ihrer „Herzensprojekte“, sagt Aubel. Aber Potsdam reizt sie offenbar mehr.

Ganz weg war sie auch nie, schließlich ist die Mutter zweier Töchter mit dem Potsdamer Politiker Sascha Krämer (früher Linke, inzwischen parteilos) verheiratet. Als der frühere Oberbürgermeister Schubert im Frühjahr 2025 abgewählt wurde, wurde Aubels Name sofort wieder genannt. Im Juni erklärte sie, dass sie sich um Schuberts Nachfolge bewerben wolle: „Die Chance ist zu einmalig, als dass ich sie ungenutzt vorbeiziehen lassen kann.“

35 Jahre lang besetzte die SPD das Oberbürgermeisteramt in Brandenburgs Landeshauptstadt. Der unterlegene Kandidat Severin Fischer galt als Vertrauter der Berliner Senatorin und ehemaligen Bundesarbeitsministerin Franziska Giffey (SPD). Fischer nannte die Abwahl des Vorgängers Schubert als Grund für das schlechte Abschneiden seiner Partei. Aubel ist seit 1984 die erste Frau auf dem Chef:innen-Sessel des Rathauses und eine von bundesweit zwei Oberbürgermeisterinnen einer Landeshauptstadt. Esther Geißlinger

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