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das portraitDie NDR-Gremien haben Sandra Harzer-Kux ins Messer laufen lassen

Hat trotz ihrer Erfahrung im Medien­management keine ausreichende Mehrheit im Rundfunkrat bekommen: Sandra Harzer-KruxFoto: Ralf Pleßmann/dpa

Klar, dagegen kann niemand etwas haben. Der Personalrat des NDR fordert für die In­ten­dan­t*in­nen­wahl der Vierländeranstalt „ein neues, transparentes Auswahlverfahren, an dem auch die Beschäftigten ernsthaft beteiligt werden“. Das klingt zeitgemäß und demokratisch. Fast zynisch aber wirkt der Zeitpunkt: Statt im Vorfeld zu intervenieren, hat das Mitbestimmungsgremium die üblichen Routinen ablaufen, die Findungskommission finden, den Verwaltungsrat empfehlen – und dann die einzige Bewerberin Sandra Harzer-Kux ins Messer laufen lassen.

Am Freitag hatte die 52-jährige Medienmanagerin, Juristin und – auch wenn es ein paar Jahre her ist, erfolgreich war das ja – Filmproduzentin zwar eine solide, aber eben keine ausreichende Mehrheit im Rundfunkrat bekommen. Zwei Drittel von dessen Mitgliedern hätten dem Personalvorschlag des Verwaltungsrats zustimmen müssen. Stattdessen gab es 14 Enthaltungen, 6 Neins und der Salat war angerührt.

Das hat es so bislang noch nie gegeben. Dabei war bereits vor sechs Jahren Kritik am Verfahren laut geworden, das vom Rundfunkstaatsvertrag mit scheinbar wenig Interpretationsspielraum vorgegeben ist. Damals aber war der NDR-Journalist Joachim Knuth auf den NDR-Verwaltungsfachmann Lutz Marmor gefolgt. Möglicherweise herrschte der Eindruck vor, dass man Menschen, die ihre gesamte bürgerliche Existenz dem Norddeutschen Rundfunk verdanken, nicht einfach so den Boden unter den Füßen wegziehen darf. Und dann war es halt vergessen, dass die Art, wie über den 350.000 Euro-Job entschieden wird, als dringend reformbedürftig empfunden worden war. Was ja ein neuer Intendant binnen fünf Jahren vielleicht wenigstens hätte in Gang bringen können, wenn ihn jemand ab und zu daran erinnert hätte.

Im Stall riecht es nach Scheiße

Diesmal aber war mit Harzer-Kux zum einen eine gestandene Frau angetreten. Andererseits: keine Journalistin, keine Verwalterin, sondern eine Juristin mit kreativer Ader. ­Harzer-Kux hatte zwischen 2003 und 2006 als ausführende Produzentin an Filmen von Rolf S. Wolkenstein, Ayşe Polat und Fatih Akin mitgewirkt. Vor allem hat sie viel Management-Erfahrung: Sie war von 2018 an Chefin der Bertelsmann Territory GmbH – laut Handelsregister ein „Full-Service-Kommunikations­unternehmen“, was auch immer das sein mag, wahrscheinlich eher was mit Werbung. Jedenfalls ist es unter Harzer-Kux gewachsen, auch der Umsatz von 100 auf über 160 Millionen – und als sie im ­Dezember aus freien Stücken gegangen ist, „um eine neue berufliche Herausforderung anzunehmen“, galt das den Fachmedien als „Paukenschlag“.

Ja, es ist ziemlich daneben, dass Fragen an die Kandidatin, nachdem sie sich im Rundfunkrat vorgestellt hatte, am Freitag nicht erlaubt waren. Das schreibt auch der Staatsvertrag nicht vor – und der Vorsitzende Nico ­Fickinger, Metallarbeitgebervertreter, sollte sich fragen, ob er wirklich kapiert hat, worum es bei der Veranstaltung Rundfunk und Rundfunkrat geht. Umso mehr, weil ja „die Personalie Harzer-Kux als Überraschung“ galt, wie die Süddeutsche Zeitungschreibt. Ob das die Situation gerettet hätte, bleibt indes zweifelhaft. Denn sowohl das Hamburger Abendblatt als auch das Medien-Fachportal DWDL kommen zu dem Schluss, dass Harzer-Kux vor allem der Stallgeruch gefehlt habe.Wie jeder weiß, der schon einmal auf einem Bauernhof war und in einen Stall reingeschnuppert hat: Dort riecht es ganz unverkennbar nach Scheiße. Das lässt sich nicht einfach wegdiskutieren. Benno Schirrmeister

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