piwik no script img

das portraitLandwirt Markus Mushardt pflügt seinen Boden nicht

Es ist ein Bild, das wir seit der Jungsteinzeit kennen: Ein Landwirt pflügt den Boden. Das soll ihn lockern, durchlüften und durchmischen, Ernterückstände unterarbeiten sowie unerwünschte Vegetation. Aber Pflüge tun nicht nur Gutes. Vor allem nicht als schweres Gerät, gezogen von riesigen Traktoren, die den Boden verdichten. Indem sie die Erde aufreißen, fördern sie die Erosion und den Wasserverlust durch Verdunstung, zerstören Leben und Lebensräume, von der Spinne bis zum Käfer.

Markus Mushardt aus dem niedersächsischen Nordsee-Örtchen Otterndorf im Landkreis Cuxhaven hat den Pflug durch die Minimalbodenbearbeitung ersetzt, nähert sich Schritt für Schritt dem Ziel der Direktsaat, die jede Bearbeitung des Bodens vermeidet. „Wir haben jetzt vier Jahre lang stark extensiviert“, sagt der 31-Jährige der taz.

Einen Master in Agrarmanagement in der Tasche, hat Mushardt im Sommer 2019 die Leitung der 270 Hektar Konventional-Ackerbau und 30 Hektar Grünland des elterlichen Betriebs übernommen. Derzeit sei er in der „Umstellungsphase zu mehr Biodiversität“, sagt er, zu „mehr Einklang“. Jedes Jahr wechselt auf jeder seiner Flächen die Kultur, in einer sechs- bis siebengliedrigen Fruchtfolge. Raps wächst hier, Leinsaat, Weizen, Gerste, Ackerbohne, Mais, Rauhafer, Kleegras für die Milchkuhherde.

Mushardt ist für den „Ceres Award“ des Fachmagazins Agrar heute nominiert, könnte also Gesamtsieger und damit Landwirt des Jahres 2023 werden. Er hat sich initiativ beworben, für die Kategorie Ackerbau. Ende Oktober erfährt er, ob er sich gegen seine beiden Mitbewerber durchgesetzt hat. 21 FinalistInnen, für sieben Kategorien, warten wie er. Ein Sieg brächten ihm 20.000 Euro.

Landwirtschaft sei für ihn „eine Passion“, sagt der Landwirt. „Das muss man wollen.“ Mushardt will „nach vorne gehen, alternative Wege“. Wer mit ihm spricht, hört Worte wie „nachhaltig“, „zukunftsfähig“ und „innovativ“. Kein Tag sei wie der andere. „Das Abenteuerlichste ist, dass wir in natürlichen Kreisläufen arbeiten, mit einem lebenden Organismus. Ständig beobachtest du da draußen im Feld etwas Neues.“

Wenn Mushardt über seine Arbeitsweise erzählt, sagt er: „Ich probiere mich aus.“ Er arbeitet dafür mit dem Deutschen Bieneninstitut zusammen. Er testet bodenschonende Maschinen, baut selbst welche. Er denkt über Düngemittelreduktion nach und ärgert sich darüber, „dass du, wenn du wissen willst, wie du mehr für die Artenvielfalt tun kannst, auf den Ämtern niemanden findest, der dir helfen kann“.

Und was, wenn irgendwann doch ein Glyphosatverbot greift? „Wenn das politisch und gesellschaftlich gewollt ist“, sagt Mushardt, der das Pestizid derzeit noch anwendet, „wird das wohl dazu führen, dass ich tun muss, was ich eigentlich gar nicht will: Ich werde die Bodenbearbeitungsintensität wieder hochfahren.“

Der Award bescheinigt Mushardt „ständigen Wissensdurst“. Auch Mitteilungsbedürfnis gehört zu seinen Eigenschaften, zuweilen wirkt das missionarisch. Auf Instagram schreibt er Sätze wie: „Liebe Kollegen, macht euch bitte mehr Gedanken um eure Böden.“ Sonst lebe man „bald in einer Wüste!!!!!!!“. Von Pflanzenschutzmittelreduktion spricht er auch. Eine gute Idee.Harff-Peter Schönherr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen