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das portraitJeannette Ehlers'postkoloniale Kunst wurde Opfer eines Anschlags

Es ist die wohl am wenigsten willkommene Art der Aufmerksamkeit: Seit Mitte September stellt Künstlerin Jeannette Ehlers in Kiel aus, zu sehen ist im „Atelierhaus im Anscharcampus“ ihre Arbeit „Coil“, eine Videoinstallation zum Verhältnis von sogenannter erster und dritter Welt, von Kolonialismus und seiner Überwindung, von Rassismus und dem Protest dagegen. Ganz genau genommen muss man sagen: „Coil“ war dort zu sehen – in der Nacht zum Sonntag drangen Unbekannte in die Ausstellungsräume ein und zerstörten das Kunstwerk.

„Mit einem Feuerlöscher und extremer Kraftanwendung zerschlugen sie zwei Ateliertüren“, teilte am Montag die ausrichtende Heinrich-Böll-Stiftung mit. Drinnen dann hätten die Tä­te­r*in­nen „ein Bild der Verwüstung“ angerichtet: „Hier zerbrachen sie sämtliche 16 Smartphonehalterungen und entwendeten alle 16 Geräte.“ Jeweils acht iPhones hatte Ehlers aufgereiht, diese beiden Reihen bildeten eine Art Gang hin zu einem weiteren, sehr viel größeren Display an der Wand – wenn das an einen Altar erinnert, ist diese Assoziation ganz im Sinne der Künstlerin.

Zu sehen waren Protestvideos aus dem ganzen 20. Jahrhundert: gegen die Apartheidpolitik des britischen Regimes in Rhodesien im Jahr 1972; für die Unabhängigkeit Mosambiks im Jahr 1975; Reaktionen auf die Polizeibrutalität gegen Rodney King 1991 im US-Bundesstaat Kalifornien; „Black Lives Matter“-Aktionen in Paris sowie Aufstände nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd durch Polizisten 2020.

Entsetzen über die Nacht-und-Nebel-Aktion bekundeten neben Ehlers die Leiterin des Kunstvereins, Anke Müffelmann, Kuratorin Heike Stockhaus sowie Thomas Kilpper, der ebenfalls gerade im Atelierhaus ausstellt; seine Rauminstallation verschonten die Einbrecher*innen. Nicht nur deshalb dürfte sich die Aktion gezielt gegen Ehlers’postkoloniale Kunst richten: Die entwendeten Geräte waren veraltete iPhone-Modelle, deren Wiederverkaufswert laut den Ver­an­stalte­r*in­nen höchstens 60 Euro beträgt: „Kaum jemand will die heute noch haben.“

Für Ehlers, geboren 1973 als Tochter einer Dänin und eines Trinidaders, sind extreme Reaktionen nichts Neues: Von „einigen rauhen Erfahrungen“ sprach sie Ende vergangenen Jahres in einem Interview, von „drastischer“, teils sehr persönlicher Kritik – „insbesondere von weißen Männern über 50“. In ihren Arbeiten hat sie immer wieder thematisiert, wie wichtig der Kolonialismus für Europas Wohlstand war, wie bereichernd auch für die hiesige Kultur; und wie sehr, andererseits, ebendiese Einflüsse, Schwarzes Erleben und Schwarze Geschichte in den mehrheitlich weißen Gesellschaften zum Verschwinden gebracht werden, beschwiegen, verdrängt. Das scheint an manch wundem weißen Punkt zu rühren.

Die Kieler Ausstellung läuft noch bis Ende Oktober, unklar war am Dienstag noch, ob Ehlers’Arbeit rechtzeitig wieder instand gesetzt werden kann. Sichtbar werde da nun, so die Veranstalter*innen, also auch „die Verletzlichkeit der Kunst“ selbst. Alexander Diehl

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