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das portraitMounir Baatour könnte erster offen schwuler Präsident Tunesiens werden

Foto: reuters

Das gab es in der arabischen Welt so noch nicht: Ein homosexueller Aktivist möchte Präsident Tunesiens werden. Der Vorsitzende der LGTBI-Organisation Shams (Sonne), Mounir Baatour, hat nach eigenen Angaben die 10.000 Unterschriften zusammen, die das Wahlgesetz verlangt, um am 17. November bei den Wahlen um die Nachfolge des derzeitigen Staatschefs Beji Caid Essebsi anzutreten. Der 92-Jährige wird nicht wieder kandidieren.

„Nach so vielen Jahren Kampf für die Rechte von Minderheiten habe ich festgestellt, dass keiner einen besseren Job machen kann als man selbst“, begründet der 48-jährige Anwalt Baatour den Schritt. Seine Organisation Shams tritt für die Straffreiheit homosexueller Beziehungen ein.

Noch wird die gleichgeschlechtliche Liebe in Tunesien verfolgt. Das Gesetz sieht bis zu drei Jahre Gefängnis vor. Wer als Schwuler verhaftet wird, den erwartet eine entwürdigende Analuntersuchung durch den Amtsarzt. Für 2018 zählte Shams 123 Verhaftungen Homosexueller, 250 Übergriffe und 3 homophobe Morde. Mehr als 500 LGTBI-Tunesier hätten im Ausland um Asyl ersucht.

Baatours Shams wird bisher von keiner der großen Parteien offen unterstützt. Im Gegenteil: Shams ist immer wieder juristischen Angriffen ausgesetzt. Erst im vergangenen Mai lehnte die Staatsanwaltschaft einen Verbotsantrag „wegen Verstoß gegen die religiöse Moral“ ab. Noch-Präsident Essebsi weigerte sich strikt, die Strafbarkeit von Homosexualität abzuschaffen. Die islamistischen Parteien fordern sogar noch eine Verschärfung.

„Tunesien braucht ein demokratisches Programm, das die unterschiedlichen Identitäten, Kulturen, Überzeugungen und Sprachen dieses Landes einbeziehen kann“, heißt es auf der Facebook-Seite Baatours. Neben der Toleranz gegenüber Personen aus dem LGTBI-Spektrum fordert er auch die Reform des Artikels 74 der Verfassung, der eine Kandidatur zum Staatschef nur für Muslime zulässt.

Neben seiner Arbeit bei Shams tritt Baatour mit einer weiteren Organisation, den „Freidenkern“, für eine Debatte über die Trennung von Staat und Religion ein. Die Freidenker fordern beispielsweise das Recht ein, während des Fastenmonats Ramadans zu essen und zu trinken. Baatour bezeichnet sich selbst als Atheisten. 2011, kurz nach dem Sturz des Diktators Ben Ali, gründete er außerdem die Liberale Partei Tunesiens (PLT).

Ob Baatours Kandidatur von der Wahlbehörde zugelassen wird, steht noch nicht fest. Das aktuelle Wahlgesetz verlangt, dass alle Bewerber um das Präsidentenamt ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Genau das könnte dem streitbaren Anwalt zum Verhängnis werden. Auch er ist eines der Opfer der aktuellen Gesetzgebung. 2013 verbüßte er drei ­Monate Haft, weil er eine gleichgeschlechtliche Beziehung hatte. Baatour gibt sich optimistisch. „Haftstrafen, die nicht höher als drei Monate sind, werden im Führungszeugnis nicht eingetragen“, erklärt er.

Rainer Wandler, Madrid

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