piwik no script img

das portraitEsther Yen ist fasziniert von blauen Flecken

Wenn Esther Yen mit Rollschuhen auf der ovalen Bahn steht, wird sie zu „Chinkilla“. „Weil ich wie ein wildes Nagetier durch die Gegend wusel“, sagt die 26-Jährige und lacht. Im Vollkontaktsport Roller Derby gehören solche selbst erdachten Namen mit trashiger Note dazu, sie stehen für die Alter Egos der Spielerinnen.

Esther steht nicht gern im Mittelpunkt. Doch während des Spiels fällt sie auf: Im B-Team der Harbor Girls ist sie die Jammerin, und damit die Einzige, die Punkte sammeln kann. Dafür muss sie auf dem Track, wie die Bahn im Roller Derby genannt wird, möglichst viele gegnerische Spielerinnen überholen. Die wollen das natürlich verhindern, es wird gedrängelt, geschubst, geblockt – Stürze und Prellungen gehören dazu. Mit ihren 1,52 Metern Körpergröße ist Esther zwar flink und wendig, dafür bekommt sie öfter mal einen Ellenbogen ins Gesicht. „Man muss eine gewisse Faszination für blaue Flecken mitbringen“, sagt Esther, die auf „Arnica-Salbe“ und „Beinwohl“ schwört.

Seit 2016 spielt sie bei den Harbor Girls, damals suchte sie einen sportlichen Ausgleich zum Uni-Leben. Esther studiert Geschichte im Master. Doch warum gerade dieser Sport, der von außen wie ein chaotisches Gerangel wirkt, aber auf einem komplexen Regelwerk basiert? Esther sagt: „Es gefällt mir, dass im Roller Derby jede so sein kann, wie sie ist. Jede Spielerin hat ihre Stärken, die sie einbringen kann.“

Roller Derby zieht noch immer vor allem Frauen an, verstaubte Geschlechterbilder haben keinen Platz. Esther gefällt das Gefühl, einen „safe space“ als Frau zu haben. Was nerve, sei das Klischee der „Mädchen in knappen Shorts und Netzstrumpfhosen“. Einerseits betonten Medien das feministische Selbstverständnis der Spielerinnen, auf der anderen Seite würden sie sexualisiert. „Wir wollen als Sportlerinnen wahrgenommen. Inzwischen lehnen wir Anfragen ab, die darauf abzielen, uns als „toughe sexy Girls“ darzustellen.“

Acht Stunden pro Woche trainiert Esther, auch mal mehr. Trotz Herzrasen vor jedem Spiel sagt sie: „Es gibt ehrgeizigere Spielerinnen als mich.“ Sie will einfach nur Spaß am Spielen haben – ohne die Angst zu versagen. „Leistungsdruck ist nicht so meins.“Annika Lasarzik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen