das portrait: Der Neonazi David Köckerthetzte in Köthen, nun wurde er festgenommen
Es war spät am Abend, als David Köckert im September in Köthen das Mikrofon ergriff. Mehrere hundert Demonstranten, darunter Rechtsextreme, hatten sich nach dem Tod eines 22-Jährigen versammelt. Köckert, mit Tattoos übersäht, im Gesicht das SS-Ornament einer Schwarzen Sonne, schimpfte über die „antideutsche Schweinepresse“, über die „Verbrecher“ in der Politik, über Flüchtlinge, die die Deutschen „abschlachten“ wollten. Ein „Rassenkrieg gegen das deutsche Volk“ finde statt, brüllte Köckert. „Wollt ihr weiterhin die Schafe sein, die blöken, oder wollt ihr zu Wölfen werden und sie zerfetzen?“ Die Menge johlte.
Für Köckert folgten Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Am Dienstag aber wurden dem 39-Jährigen vorerst andere Vergehen zum Verhängnis. Das Thüringer Landeskriminalamt durchsuchte mehrere Wohnungen, darunter die von Köckert, und nahmen ihn sowie einen weiteren Mann fest. Gegen einen dritten Verdächtigen wird ermittelt.
Köckert wird schwere räuberische Erpressung vorgeworfen. Was genau vorfiel, wollte die Staatsanwaltschaft Gera nicht mitteilen. Köckerts Mitbeschuldigtem wird vorgeworfen, Anfang Oktober in Gera einen Pizzaboten überfallen und dessen Bargeld geraubt zu haben. Köckert selbst soll illegale Waffen besessen haben. Und: Mit einem Mitbeschuldigten habe er für die Mitarbeiter seiner Tätowierstudios „seit geraumer Zeit“ zu niedrige Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Die Summen seien „erheblich“. Bei den Razzien seien neben Datenträgern auch Schlagringe und Pyrotechnik gefunden worden.
Köckert, gelernter Hochbaufacharbeiter, gehört zu den schillerndsten Figuren der rechtsextremen Szene. Schon in den Neunzigern tummelte er sich in seiner Heimat Greiz in Kameradschaften. 2013 war Köckert schließlich für die AfD aktiv. Ein Jahr später schlug er bei der NPD auf. Die AfD sei „nicht politikfähig“, ätzte Köckert. Für die NPD zog er in den Greizer Kreistag ein, brachte es zum Landesorganisationsleiter. Dann schmiss er auch dort hin: In der Partei gebe es zu viele „Maden“ und „verrückte Gesellen“. Heute mischt Köckert bei den Republikanern mit. Als er zu Jahresanfang als Greizer Bürgermeister antreten wollte, untersagte das der Wahlausschuss: Es gebe Zweifel, ob er sich im Amt an die freiheitliche Grundordnung halten würde.
Schon 2015 gründete Köckert den Thüringer Pegida-Ableger „Thügida“. Der Verfassungsschutz nahm ihn schnell als rechtsextrem ins Visier, auch weil Köckert immer wieder mit derben Reden auffiel. Mal wetterte er über eine angebliche „Asyldiktatur“ im Land, dann nannte er Angela Merkel eine „Brotspinne“, die er „zur Hölle“ jagen wolle. In Köthen drohte er Journalisten, diese könnten sich bald „im dunklen Kellerverlies wiederfinden“.
Beruflich indes kam Köckert schon länger ins Schlingern. Sein Laden für rechte Szenemode musste wieder schließen. Dann scheiterte auch seine Firma für Kabeltechnik. Schon vor Jahren soll gegen Köckert wegen Sozialversicherungsbetrugs ermittelt worden sein. Zuletzt probierte er es nun mit seinen Tätowierstudios – offenbar auch das nicht ganz sauber.
Köckerts Demo-Leben wurde derweil immer bizarrer. Zuletzt inszenierte er auf einem Erfurter Marktplatz die Hinrichtung einer Frau durch Islamisten, ließ Kunstblut fließen. Auch das zog Ermittlungen nach sich. Dann kündigte er einen Aufmarsch gegen den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke an: Dieser grenze sich zu sehr von Flüchtlingsgegnern ab. Den Aufmarsch sagte er wieder ab. Nun ist erst mal Schluss mit den Demo-Rundreisen. Konrad Litschko
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