das kommt auch: Kohl kehrt zurück
Fast ein Jahr lang schien es, als gehe der Kelch an Osnabrück vorüber: Keine Straßen- oder Platzbenennung nach Helmut Kohl. Nun droht das Vorhaben aufzuerstehen.
Zur Würdigung des Wende-Kanzlers durch die Umbenennung des Berliner Platzes war es im Herbst 2018 nicht gekommen; die meisten Anlieger hatten sich gewehrt. Danach war es still geworden um die Initiative der CDU-Ratsfraktion.
Doch nun startet ein neuer Versuch. Und die Chancen stehen gut für die Christdemokraten, dass der fast einmütige Ratsbeschluss vom Herbst 2017, für Kohl einen Ehrenplatz im Innenstadtbereich zu finden, diesmal tatsächlich umgesetzt wird.
Der Vorentscheid soll in der Kulturausschusssitzung am 12. September fallen. Kohl sei zwar „umstritten“ geblieben, heißt es in der Beschlussvorlage, „wegen seiner Rolle in der Parteispendenaffäre“. Aber ihm seien bedeutende Verdienste zuzurechnen, „insbesondere bei der deutschen Wiedervereinigung und in der Europapolitik“.
Dieses Mal geht es um eine andere Kreuzung als beim letzten Mal: die Kreuzung Martinistraße/Neuer Graben/Wallring. Und die Chancen, dass sie demnächst Helmut-Kohl-Platz heißt, sind deshalb so gut, weil es nicht um eine Umbenennung geht, sondern um eine Neubenennung – der Ort ist bislang namenlos. Außerdem kommen diesmal keine Anwohnerproteste in die Quere, denn Anwohner gibt es dort nicht.
Eine Kreuzung für Kohl also, eine der bekanntesten der Stadt. Am Wallring ist sie in Gesellschaft von Plätzen für August Bebel und Willy Brandt. Bleibt nur die Frage, warum die Stadt ausgerechnet bei Kohl auf die dreijährige Wartezeit verzichtet, die normalerweise zwischen Tod und Ehrung vergehen muss.
Für Heidi Reichinnek, Osnabrücker Ratsmitglied und niedersächsische Landesvorsitzende der Linken, ist klar: „Sollte der Kohl-Vorschlag es in den Rat schaffen, wird unsere Fraktion ihn ablehnen, wie 2017.“ Und das nicht nur wegen Kohl als Person, sondern auch wegen seines Geschlechts. „In Osnabrück haben wir die Absprache, bei solchen Benennungen verstärkt Frauen zu berücksichtigen, denn die sind unterrepräsentiert. Aber das gilt hier scheinbar nicht.“
Harff-Peter Schönherr
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