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das fliederfarbene hemd von KLAUS CÄSAR ZEHRER

Heute Abend um 20.15 Uhr sendet die ARD eine deutsche Fernsehkomödie, welche die Ausnahmestellung deutscher Fernsehkomödien in der Welt zementieren wird: „Liebling, bring’ die Hühner ins Bett“. Anschließend wird in Millionen Wohnzimmern nur eine Frage diskutiert werden: Wer ist dieser blendend aussehende Herr, der dem Film seinen Stempel aufdrückte, indem er so unvergleichlich anmutig in einem fliederfarbenen Hemd vor der Szenekneipe auf- und abtigerte? Nun, dieser Herr ist niemand Geringerer als ich.

Am Anfang meiner Filmkarriere stand ein Telefonat mit der Regieassistentin: Ja, ich könne morgen als Komparse arbeiten. Es werde eine Sequenz gedreht, die in einer „trendigen Berlin-Mitte-In-Kneipe“ spiele, ich möge bitte in entsprechender Kleidung erscheinen, „irgendwas Modisches, Flippiges, Szeniges, naja, so Berlin-Mitte-Stil eben.“ – „Berlin-Mitte-Stil, okay, geht klar, bis dann, tschaui.“ Ich war überzeugt, dass man sich im Filmgewerbe mit „Tschaui“ verabschiedet, und war sehr zufrieden mit meinem professionellen Verhalten.

Unverzüglich inspizierte ich meinen Kleiderschrank, und obwohl ich nicht die geringste Ahnung habe, was ein flippiger Berlin-Mitte-Stil sein soll, dämmerte mir: Was hier rumliegt, isses jedenfalls nicht.

Anderntags erschien ich an der, wie wir Filmleute sagen, „location“ im szenigsten Outfit, das mir zur Verfügung stand: Ein lila T-Shirt, Blue Jeans und Lederhalbschuhe. Es war niemand da außer einer Frau, die für das „blocking“ zuständig war, also Parkplätze für das Filmteam freihalten musste. Mit einer so niederen Charge wollte ich mich nicht abgeben, also aß ich erst einmal einen „catering“. Das ist eine typische Filmer-Spezialität, einem Wurstbrot nicht unähnlich. Nach und nach erschienen die übrigen Komparsen. Alle sahen so authentisch aus wie eine Seniorenkabarettgruppe beim Punker-Sketch. Die Kostümassistentin maß uns mit einem Blick, wandte sich wortlos ab und kehrte nach ein paar Minuten mit einem Stapel alten Klamottentrödels aus dem Fundus der Produktionsfirma zurück. Ich bekam ein fliederfarbenes Hemd mit spitzem Kragen, ein Hemd, wie es in flippigen Berlin-Mitte-Humana-Shops für einen Euro feilgeboten wird.

Dergestalt in einen topgestylten Berlin-Mitte-Szenegott verwandelt, hatte ich nun buntes Großstadttreiben darzustellen. Mit einem empörend jungen Fräulein an meiner Seite schritt ich das Trottoir vor einer Kneipe ab, in der eine Schauspielerin und ein Schauspieler an einem Tischchen saßen. Die Schauspielerin nippte an einem Cocktail und erkundigte sich: „Und, wie ist der Sex in Krummenwalde?“ Der Schauspieler schnaubte darob lüstern mit den Nüstern und röhrte freudig: „Der Sex in Krummenwalde ist großartig! Urwüchsig! Animalisch!“

Das war’s. Ich gab das fliederfarbene Hemd zurück und bekam einen 50-Euro-Schein in die Hand gedrückt. Nicht gerade viel für eine Rolle dieser Komplexität, aber für eine Fahrkarte nach Krummenwalde dürfte es reichen. Soll schön sein da.

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