das ding, das kommt: Betreutes Abfackeln
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Der HSV schreibt Geschichte“, schrieb die Hamburger Morgenpost vor ein paar Tagen, und das ist für den Verein natürlich eine schöne Sache, denn das hat er zuletzt ja nicht allzu oft getan – zumindest nicht im positiven Sinne.
Das vermeintlich historische Ereignis, auf das sich die Kolleg*innen vom Boulevard beziehen: eine legale Pyro-Show, die an diesem Samstag beim Heimspiel gegen den Karlsruher SC zwischen Tribüne und Spielfeld stattfinden soll. Zehn Fans dürfen bei diesem kontrollierten Spektakel zündeln. Möglich gemacht es hat eine Kommission des Deutschen Fußballbundes (DFB) mit dem schwer beeindruckenden Titel „Prävention & Sicherheit & Fußballkultur“. Die Präventions- und Kulturfachleute haben erstmals einen entsprechenden Antrag genehmigt.
Der HSV teilt mit, die Aktion werde „unter Aufsicht einer Fachfirma“ stattfinden. Als weitere Aufsichtspersonen sind ein Ordner pro Feuerwerker vorgesehen. Betreutes Abfackeln lautet die Devise also. Der Preis für unbetreutes Abfackeln war für den HSV zuletzt recht hoch. In der Saison 2018/19 verdonnerte der DFB den Verein zu einer Strafzahlung von 294.150 Euro, in dieser Saison wurden bisher 180.800 Euro fällig.
Ob der HSV an diesem Samstag Geschichte schreibt, ist indes Auffassungssache. In der Frühphase der deutschen Pyrokultur passierte schon Ähnliches: Während der Rückrunde 1991/92 durften beim 1. FC Nürnberg Fans auf der damaligen Aschenbahn mit Brennelementen hantieren, einige Zeit später war das auch bei Bayer Leverkusen möglich. Das war allerdings in einer Phase, in der die Vereine Pyrotechnik mindestens duldeten. Diese Haltung änderte sich in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre.
Pyros kamen ab Mitte der 1980er-Jahre in deutschen Stadion zum Einsatz, inspiriert von Fangruppen in Italien. Feuerwerk verschiedener Art hatte es in den Stadien aber auch vorher schon gegeben, zum Beispiel in Form von „profanen Rauchgranaten aus Bundeswehrbeständen“, wie das Fußballmagazin 11 Freunde schreibt.
Cornelius Göbel, Leiter der Abteilung Fankultur beim HSV, sagt, „es wäre naiv zu glauben“, dass der Kompromiss, den sich der Verein ausgedacht, Ultras dazu bringen wird, „das Abbrennen von bislang verwendeten pyrotechnischen Mitteln sofort zu unterlassen“. Er hofft aber darauf, mit dem Experiment „den Austausch weiter voranzutreiben“.
Pyro-Aficionados, denen es allein auf eine, zumindest ihrer Ansicht nach, hübsche Optik ankommt, die in Verbindung mit Gesängen die eigene Mannschaft motiviert, finden vielleicht Gefallen an vom Verein choreographiertem Feuerzauber. Das gilt aber nicht für Fans, die mit Hilfe des Feuerwerks auf ihre eigene Weise am Spiel partizipieren, das Ereignis mit gestalten und dem DFB und vielleicht auch noch der Staatsmacht den Mittelfinger zeigen wollen.
Schon mal kein Freund des Hamburger Wegs ist Jörg Radek, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, er hält die Idee für „blauäugig“. Pyrotechnik habe „in einem Fußballstadion mit zigtausend Menschen nichts verloren“. In Griechenland gibt’s Pyroshows übrigens auch beim Basketball – also in geschlossenen Räumen. René Martens
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