das ding, das kommt: Theater vorm Tor
Sommerzeit, Zeltsaison, Festival-Feeling, historisches Amüsier-Ambiente, Jahrmarkttheater. Da in Oldenburg der Staatstheatertempel wegen Sanierungsarbeiten geschlossen ist, bringen die Theatermacher die performativen Künste nun dorthin zurück, woher sie kommen: vor die Tore der Stadt. In diesem Fall ins Industriebrachen-Areal am Hunte-Ufer, wo bis 2016 Schotter und Kies gelagert wurden und 2019 schnieke Immobilien fürs neue Havenkant-Viertel hochzogen werden sollen. Dort steht nun ein riesiges Zirkuszelt, 15 Meter hoch, 37 Meter im Durchmesser. Damit sofort Assoziationen an Seiltänzer, Bodenakrobaten und Clowns aufploppen, steht „Roncalli“ dran.
Nun müssen in Oldenburg sechs Wochen lang 960 Plätze allabendlich verkauft werden, fast doppelt so viele wie sonst im Stammhaus. Da ist Populär- statt Hoch- und Subkultur gefragt. Aber der Geist der einstigen Kirmeskunst, die Verspottung höfischer Theaterereignisse, wird nicht als Verspottung biederbürgerlicher Theaterhits aktualisiert und auch das Genre Opéra comique nicht bedient, das auf den Jahrmärkten entwickelt wurde. Im „Uferpalast“ genannten Zelt tritt stattdessen „Jesus Christ Superstar“ an, um mit Hippiekitsch zum Mitklatschen einzuladen und vertanzte 1001-Nacht-Geschichten sind als Märchenzauberereignis angekündigt. Und zur Eröffnung gibt’s „Alice im Wunderland“ als LSD-Trip.
Dieses Zirkustheater bedeutet Abschied vom Frontalkunstunterricht: Das Publikum sitzt um die Manege herum, um im großen Rund aufzufallen, muss schnell und grell und zu fast allen Seiten interaktiv gespielt werden. Fürs sinnliche Alternativprogramm grillen Streetfood-Anbieter im Lampionschimmer, Konzerte und Filme sollen unterm Sternenhimmelszelt angeboten, auch schiffschaukelige und karusssellkreiselige Bewegungen gefeiert werden. Und rund herum wurde tonnenweise Sand abgekippt, um neben den Theater- auch Strandurlaubillusionen zu ermöglichen. Im Schatten des Zeltes.Jens Fischer
Theaterhafen und Uferpalast: Sa, 19. 5. bis So, 1. 7., Oldenburg, Rheinstraße 35. Programm: www.staatstheater.de
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