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Kriminalroman von Femi KayodeBischof unter Verdacht

Hitze, Staub und Gottesglaube: In seinem zweiten Kriminalroman führt Autor Femi Kayode seinen Ermittler in die Welt einer nigerianischen Freikirche.

Der Krimi spielt in Lagos: Unerträgliche Hitze, das permanente Verkehrschaos wird sehr plastisch porträtiert Foto: Christopher Onah/imago

Philip Taiwo, forensischer Psychologe mit Ausbildung und Sozialisation in den USA, ist mit der Familie in sein Heimatland Nigeria zurückgekehrt, wo er an der Polizeiakademie unterrichtet und in Femi Kayodes neuem Roman „Gaslight“ nun schon zum zweiten Mal in einen aufsehenerregenden Kriminalfall verwickelt wird.

(„Light Seekers“, der erste Philip-Taiwo-Roman aus der Feder des gebürtigen Nigerianers und studierten Psychologen Femi Kayode erschien im Jahr 2022 auf Deutsch.) Kayode verwebt gekonnt Kriminalhandlung mit Gesellschaftskritik, lässt Action ebenso zu ihrem Recht kommen wie Familienszenen und spart nicht an atmosphärischem Lokalkolorit.

Dieses Mal führen Philip Taiwos Ermittlungen ihn in die Welt einer einflussreichen evangelikalen Kirche, deren oberster Geistlicher, der den Bischofstitel führt, von den Gläubigen wie ein Heilsbringer verehrt wird. Dieser Oberguru ist unerwartet verhaftet worden, weil bei der Polizei anonyme Hinweise eingegangen sind, dass der Bischof seiner zwanzig Jahre jüngeren Ehefrau etwas angetan haben könnte.

Das Buch

Femi Kayode: „Gaslight“. Aus dem Englischen Andreas Jäger. btb Verlag, München 2024. 448 ­Seiten, 16 Euro

Die junge Frau ist nämlich verschwunden. Doch Taiwos Auftrag ist es nicht, die Verschwundene wiederzufinden; in der Gemeinde ist niemand beunruhigt, weil allgemein bekannt ist, dass die „First Lady“ sich häufig für längere Zeit zurückzieht. Er soll vielmehr ergründen, wer den Bischof verleumdet haben kann – und warum.

Überraschende Wendung

Und tatsächlich gewinnt Taiwo, nachdem er den Geistlichen im Gefängnis getroffen hat, die Überzeugung, dass dieser aufrichtig ist. Zudem scheint es seltsam, dass die Polizei derart schnell zugegriffen und anonymen Hinweisen Glauben geschenkt hat. Dann aber nimmt der Fall eine überraschende Wendung.

Und während Philip Taiwo lange vergeblich versucht, das Geflecht aus Macht, Einfluss und Abhängigkeiten zu entwirren, das sich um die Freikirche rankt, ist gleichzeitig in seiner Familie Krisenstimmung, weil die Teenager-Tochter Probleme hat und sich in ihr altes Leben in den USA zurücksehnt – obwohl sie wegen des dortigen Rassismus' das Land verlassen haben.

Eine komplexe Gemengelage an sozialen Befindlichkeiten grundiert diesen Thriller. Die Welt der evangelikalen Freikirchen, die Kayode entwirft, ist fremdartig genug, und doch bekennt der Ermittler und Ich-Erzähler, dass auch er selbst einer solch trügerisch sicheren Atmosphäre einst erlegen war: der Stimmung bedingungslosen Glaubens in einer Gemeinde, deren geistlicher Führer über jede Kritik erhaben ist.

Der Schlüssel liegt bei der „First Lady“

Die Welt außerhalb dieser Gemeinde – die unerträgliche Hitze, das permanente Verkehrschaos in der Riesenmetropole Lagos – wird im Roman zwar nur am Rande, aber immer wieder sehr plastisch und darum auch sehr vorstellbar porträtiert. Doch so gut und oft genug faszinierend sich das alles wegliest, bleibt der Roman in einem zentralen Punkt doch nicht völlig nachvollziehbar: Der Ermittler erkennt zwar bald, dass der Schlüssel zur Lösung des Falls in der Lebensgeschichte der verschwundenen „First Lady“ liegt.

Doch obwohl der Autor eine Menge Erzählzeit darauf verwendet, Hintergründe aufzuzeigen, passt das Handeln der jungen Frau – das hier nicht ohne Spoilergefahr erläutert werden kann – letztlich nicht zu der ursprünglich aktiven, selbstbewussten Persönlichkeit, als die sie gezeichnet wird. Mag sein, dass psychologische Glaubwürdigkeit im Thrillergenre nur ein untergeordnetes Kriterium darstellt; aber sie sollte erwartet werden können, wenn ein Psychologe Thriller schreibt.

Und wenn in der Welt der Evangelikalen noch andere psychische Zwänge wirken als sonst, Zwänge, die sogar zu einer Persönlichkeitsveränderung führen können, so müssten diese Umstände in einem Roman sehr viel sorgsamer auserklärt werden. Aber ja, okay, es ist ein Thriller. Und auf jeden Fall spannend und farbig erzählt.

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1 Kommentar

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  • Ein Kirchenführer, der den Bischofstitel führt und von seinen Leuten als Heiliger verehrt wird - das klingt eher nach einer Sekte als nach einer Freikirche ...