corona in hamburg: „Durch unsere Strukturen sind wir flexibler“
Die Veddel-Hotline der Poliklinik Veddel unter 01520- 2563582 koordiniert die Nachbarschaftshilfe im Stadtteil. Weitere Infos zu Angeboten unter www.poliklinik1.org
Interview Juliane Preiß
taz: Herr Nolte, wie verändert die Coronakrise die Arbeit der Poliklinik Veddel?
Kolja Nolte: Bei uns hat sich einiges geändert. Wir versuchen, unser Angebot anzupassen, indem wir unter anderem Krankschreibungen telefonisch ausstellen. Da wir momentan die einzige Struktur sind, die auf der Veddel eine hausärztliche Versorgung stellt, ist der Bedarf riesig. Das Telefon klingelt ununterbrochen.
Die Poliklinik ist ein Kollektiv. Bringt das Vorteile in einer solchen Situation?
Die Kombination aus primärmedizinischer Arbeit und Stadtteilarbeit zeichnet sich gerade in so einer Krise total aus. Durch unsere Strukturen sind wir flexibler. Wir haben einen Pool an Leuten, die uns bei bestimmten Aufgaben unterstützen, zum Beispiel bei der Einrichtung der Telefonhotline, die es seit einer Woche gibt.
Was hat es damit auf sich?
Über die Hotline koordinieren wir zusammen mit anderen Stadtteilinitiativen die Nachbarschaftshilfe auf der Veddel. Von 10 bis 16 Uhr ist die Telefonnummer erreichbar. Dort können Leute anrufen, die Hilfe brauchen oder die helfen wollen. Die bringen wir dann zusammen.
Wie klappt es mit der Kommunikation?
Wir haben einen Flyer mit Informationen in verschiedenen Sprachen erstellt und im Stadtteil verteilt. Die Hotline ist über Messenger-Dienste erreichbar, darüber beschreiben die Menschen in möglichst einfacher Sprache ihr Anliegen und das lassen wir dann übersetzen.
Kolja Nolte, 29, ist Mitglied des Kollektivs Poliklinik Veddel und arbeitet seit Februar in der Stadtteilpraxis.
Die Poliklinik ist auch eine Anlaufstelle für sozial Schwache, wie Menschen ohne Krankenversicherung. Leiden die besonders in der Krise?
Absolut. Das betrifft nicht nur die Veddel, sondern ganz Hamburg, ganz Deutschland. Für Hamburg wird die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung von Tag zu Tag schwieriger. Immer mehr soziale Träger müssen Räume schließen. Es muss auch einen unbürokratischen Zugang zur medizinischen Versorgung geben für Menschen, deren Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist, zum Beispiel durch einen anonymisierten Krankenschein, mit dem der Zugang zum Gesundheitswesen anonym gewährt wird. Die Leute melden sich sonst aus Angst nicht bei den Behörden. Wenn solche Sachen vergessen werden, wird es schwierig dieses Virus einzudämmen.
Stößt da auch die Poliklinik an Grenzen?
Unser Arbeitspensum ist logischerweise höher. Momentan managen wir das noch. Hier auf der Veddel haben wir viele Patient*innen mit einem hohen Risiko für schwere Verläufe einer Coronainfektion. Und wir müssen Kapazität freischaufeln, um uns um diese Menschen zu kümmern.
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