cdu-wahlaussagen: Ohne Programm erfolgreich
Wer oder was ist die CDU? Das scheint sie sich auch zu fragen. Früher war die Antwort einfach: Sie war der Kanzlerwahlverein des Helmut Kohl. Programm, Person und Partei fielen zusammen. Doch nun ist nur noch die Partei übrig geblieben. Sie schlägt sich sogar ganz respektabel, erhält in den Sonntagsfragen mehr Stimmen als die SPD. Aber Person? Kandidat Edmund Stoiber ist längst nicht so beliebt wie Kanzler Schröder. Und Programm? Da ist die CDU so ratlos, dass sie es kaum verbergen kann. Auch nicht in ihren Aussagen für die Wahl im Herbst.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Zu dieser Ratlosigkeit gehört, dass die Union wie im Reflex ihre Konkurrenzparteien kopiert. Der Slogan der SPD hieß 1998 „Sicherheit im Wandel“? Dann gibt die Union eben als Slogan aus: „Leistung und Sicherheit“. Die SPD nennt ihr neuestes Wahlprogramm übertrieben selbstbewusst „Regierungsprogramm“? Dann haben CDU und CSU prompt auch ein „Regierungsprogramm“. Die SPD sieht sich als „neue Mitte“? Also kündet Stoiber von „der bürgerlichen Kraft der Mitte“. Der Kanzler mimt eine „Politik der ruhigen Hand“? Stoiber setzt das Motto „Zeit für Taten“ dagegen.
Die SPD dominiert selbst dort, wo die Union ganz Union zu sein scheint: Die 72 vagen Programmseiten werden nur dort konkret, wo man sich von rot-grünen Reformen absetzen kann. Recht auf Teilzeit? Soll wieder abgeschafft werden. Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit? Gehört aufgehoben. Atomausstieg? Ist zurückzunehmen. Zuwanderungsgesetz? Soll verschärft werden.
Wie weit die Verunsicherung der Union geht, macht jedoch nicht nur diese Orientierung an der SPD deutlich. Noch erstaunlicher ist, wie die eigene Vergangenheit ausgelöscht wurde. So ist in der Präambel von der sozialen Marktwirtschaft nicht mehr die Rede, obwohl die CDU darauf mit Ludwig Erhard ein Patent hat und Angela Merkel noch vor kurzem eine „neue soziale Marktwirtschaft“ erfinden wollte. Eine Traditionspartei steht plötzlich ohne Tradition da.
Diese programmatische Beliebigkeit zeigt sich auch dort, wo die Union zunächst besonders radikal wirkt: bei der angestrebten Steuerreform. Der Spitzensteuersatz soll unter 40 Prozent sinken, der Eingangssteuersatz unter 15 Prozent liegen. Das kommt bekannt vor? Zu Recht. Diese Idee ist der Hauptprogrammpunkt der FDP.
Was also ist die CDU? Eine Oppositionspartei und immer noch auf der Suche. Bedauerlich, dass eine Partei ohne Programm in den Umfragen so gut dasteht.
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