bundestag.de auf Arabisch: Nur für Touristen und Revolutionäre
bundestag.de gibt's nun auf Arabisch. Die Bundesregierung begründet das mit Revolutionen im arabischen Raum – nicht mit Arabisch sprechenden Deutschen.
BERLIN taz/afp | Der Deutsche Bundestag ist ab sofort auch auf Arabisch im Internet präsent. Angesichts der Demokratiebewegungen im Nahen Osten und in Nordafrika wolle der Bundestag "ein Informations- und Erfahrungsangebot machen, das in arabischer Sprache grundsätzliche Fakten über demokratische Prozesse und parlamentarische Abläufe beinhaltet", erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Dienstag in Berlin.
Das Angebot im Internet verstehe sich als "konkrete Hilfe" für die Menschen, "die in den arabischen Staaten dafür kämpfen, Freiheit und Demokratie zu erringen und eine parlamentarische Kultur aufzubauen".
Hinweise darauf, dass die Bundesregierung arabischsprechende Menschen in Deutschland für Demokratie und Grundgesetz begeistern oder ihnen Teilhabe an politischen Prozessen der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen möchte, sucht man vergeblich.
Memet Kilic, integrationspolitischer Sprecher der Grünen, hat eine mögliche Erklärung: "Muttersprachen sind nur im Ausland ok, in Deutschland werden sie als Bedrohung gesehen".
Memet Kilic: "Petitionsausschuss auf Türkisch"
Für Kilic offenbart die Konzeption der neuen arabischsprachigen Seiten ein grundsätzliches Problem. Er habe ähnliches schon in einer Broschüre des Petitionsausschusses beobachten können. Die Broschüre sei auf Französisch, Englisch, Spanisch erschienen, aber nicht auf Türkisch. "Ich habe dann mal nachgefragt, und dann sagte man mir: die Broschüre ist für Touristen bestimmt." Dabei könne man doch schon die Frage stellen, warum der Petitionsauschuss, der ja für alle Einwohner Deutschlands da sein will, nicht in anderen Sprachen informiert. Kilic fragt: "Würde es schaden, wenn er auch auf Türkisch stattfinden würde?"
Kilic sagt, man müsse endlich zur Kenntnis nehmen, dass in Deutschland auch Menschen leben, die andere Sprachen sprechen. "Es ist schädlich zu suggerieren, dass Leute, die in anderen Sprachen reden, nicht integriert sind", und verweist auf Verwandte, die 30 Jahre im Metallbau gearbeitet haben und in der Nachbarschaft hervorragend integriert waren, ohne Deutsch zu können. "In Deutschland sind mehrere Sprachen heimisch. Nicht nur der Islam gehört zu Deutschland, sondern zum Beispiel auch die türkische und die arabische Sprache."
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