bulwahn oder das hrg passt überall: 12 Jahresfrist auch für Parteien
Frischer Wind
Als langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter in Drittmittelprojekten des Forschungsministeriums, möchte ich meine Arbeitgeberin Edelgard Bulmahn und ihre Gesetzesnovelle natürlich in Schutz nehmen. Der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie, Dieter Simon, hat ja dankenswerterweise die Kritik an Frau Bulmahn in ihrer ganzen Lächerlichkeit bloßgestellt. Ich möchte dem noch etwas hinzufügen – weil ich den Eindruck gewonnen habe, dass die Kritiker die historische Reichweite und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des neuen Hochschulrahmengesetzes (HRG) noch gar nicht erkannt haben.
Zunächst etwas zur Reichweite. Machen wir uns doch nichts vor! Für die Universitäten gilt nach wie vor der Spruch: Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren. Sie, liebe Frau Bulmahn, wollen frischen Wind in die Hochschullandschaft bringen. Miefige Ideen sollen hinweggefegt werden. Das gilt zum Beispiel für Willy Brandts uralte Idee von der Chancengleichheit im Bildungswesen.
Für die Juniorprofessoren unter uns: Willy Brandt war der Chef einer sozialliberalen Regierung, die Anfang der 70er das Bafög eingeführt hat. Die Leute, die damals Bafög bekamen, gehören übrigens derselben Akademikergeneration an, die heute leider ausgemustert werden muss. Kritiker bemängeln deshalb, dass die Chancengleichheit der Generationen nicht gewahrt werde. Dazu nur so viel: Man kann doch eine so dynamische Partei wie die SPD von heute nicht mehr danach beurteilen, was sie gestern gesagt oder gemacht hat!
Nun etwas zu den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Ihre Grundidee, liebe Frau Bulmahn, ist faszinierend: Wer es nach 12 Jahren Qualifizierungsphase nicht geschafft hat, Professor zu werden, dem bleiben immerhin noch zwei attraktive Berufsperspektiven: Er darf ins Ausland gehen – oder er kann sich im Bewerbertraining des Arbeitsamtes für Neues fit machen lassen. Wir sind der Meinung, dass diese Idee auf andere Politikfelder übertragen werden sollte. Wenn ich „wir“ sage, so meine ich damit eine neue Initiative, die „Berliner unabhängige Liste widerwillig ausgemusterter hochbetagter Nachwuchswissenschaftler“, abgekürzt BULWAHN.
Rückwirkendes Verbot von Tante SPD
Kurz etwas zu dem, was wir vorhaben: Wir wollen das Wahljahr nutzen, ein Volksbegehren zu initiieren. Ziel des Volksbegehrens ist eine einfache Neuregelung: Parteien dürfen fortan nur noch 12 Jahre lang gewählt werden. Wenn sie es in diesem Zeitraum nicht geschafft haben, ihr Grundsatzprogramm zu verwirklichen, werden sie verboten. Damit wird Platz geschaffen für junge, unverbrauchte Parteien. Einer von vielen Vorteilen: Das Verbotsverfahren gegen die NPD, das Frau Bulmahns Ministerkollege Schily so umsichtig eingefädelt hat, würde überflüssig. Es gibt allerdings einen Wermutstropfen: Die Regelung müsste wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung rückwirkend gelten. Auch die alte Tante SPD müsste also mit einem Verbot rechnen. Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht über die Zukunft ehemaliger NPD-Funktionäre oder SPD-Minister. Sie sollen die Chance bekommen, in Deutschland einen nützlichen Beruf zu ergreifen – oder aber mit ihrem Parteiapparat ins Ausland zu gehen.
Eine Frage bleibt: Werden das Wissenschaftsestablishment und Akademiepräsident Simon, den wir als messerscharfen Denker kennen, uns unterstützen? DIETMAR JAZBINSEK
Der Autor ist Wissenschaftler. Er trug den Text in der Akademie der Wissenschaften seiner Ministerin vor
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