piwik no script img

bündnis gegen rechtsSCHILYS PERFORMANCE

Gestern hat Bundesinnenminister Otto Schily in der Berliner Staatsoper das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ ins Leben gerufen. Pro Asyl, amnesty international und Aktion Courage protestieren gegen den Initiator. Wir nicht. Haben die NGOs wirklich geglaubt, es gäbe eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen und dem Bundesinnenminister?

Otto bleibt Otto. Und nach seinem Geschmack leben zu viele nicht deutsche Habenichtse in Deutschland. Gleichzeitig ist Schily auch ein kluger Mann. Deshalb ist er gegen Rassismus. Das ist mutig, und im März letzten Jahres hätte er in der Akademie der Künste in Berlin beinahe aus dem Bestseller von Tahar Ben Jelloun „Papa, was ist ein Fremder?“ gelesen. Gemeinsam mit seiner Tochter Jenny. Papa und Tochter Schily und der Rassismus – eine schöne Besetzung. Hunderte von Berliner Bildungsbürgern sahen das ebenso. Dann die Enttäuschung. Otto kam nicht. Die Kosovo-Krise spitzte sich zu und verdarb einen netten Abend.

Der Krieg ist aus, und noch immer gibt es Intoleranz und rassistische Gewalt in Deutschland. In manchen Landstrichen des Ostens ist die Lage direkt unfein. Otto Schily nimmt deshalb ein Jahr nach der Papa-Geschichte einen neuen Anlauf in Sachen Zivilgesellschaft. Das ist gut. Denn die Reaktionen auf Johannes Raus Grundsatzrede zur Einwanderungsgesellschaft haben daran erinnert: Das deutsche Bürgertum nimmt Altbekanntes erst dann als wichtig wahr, wenn es von einer Autoritätsperson vorgebetet wird.

Wenn Schily zur Allianz gegen rechte Gewalt aufruft, können wir gewiss sein: Die politische und gesellschaftliche Elite des Landes ist abgelenkt und kommt für einen Augenblick auf keine anderen dummen Gedanken. Das ist lobenswert, zumal das deutsche Bürgertum das Thema Deutsche und Ausländer bisweilen recht unterirdisch diskutiert. Angesichts eines solchen Bürgertums sollten die NGOs nicht so kleinlich sein. Gönnt Otto Schily und seinen Freunden aus der Galerie die Peformance! Er ist ein Mensch wie du und ich! Ansonsten ist er Innenminister. Und in dieser Rolle wissen alle, die in ihrem Alltag mit dem Ausländerrecht und Flüchtlingen zu tun haben, was von ihm zu halten ist. Nichts.

Otto Schilys Bündnis für Demokratie und Toleranz wird die Republik um keinen Deut verändern. Seine Asylpolitik schon. Das Bündnis ist des Innenministers Heftpflaster für die Wunden, die er an anderer Stelle schlägt. Ignorieren wir es. EBERHARD SEIDEL

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen