briefe aus island: Goethes isländische Reise findet nun doch statt
Biografisches Highlight
Nun kann die Ausstellung „Goethes isländische Reise“ doch noch stattfinden. Zwar gibt es nach wie vor keine Nachricht vom staatlichen Goethe-Zentrum in Reykjavík. Dort hatte der Direktor Frank Albert zuerst großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem privaten Goethe-Institut geäußert, gar in seinem Programmheft für März 2000 die Ausstellungskooperation zwischen den beiden Institutionen angekündigt, war dann aber im Elfenstrudel spurlos verschwunden (siehe taz vom 28. 7.). Seitdem ruht die Arbeit im von der Münchner Zentrale als Modell gepriesenen Partner des Goethe-Instituts. Keine Reaktion auf Mails und Briefe. Am Fenster des Zentrums in der Lindargata klebt noch neben einem Sprung im Fensterglas der Sticker „Goethe 1999“, ragt ein Metallstück gefährlich aus dem rostigen Treppengeländer, verweist ein kleines, verblasstes Schild auf ein „Goethe-Zentrum“. Handgeschriebene Zettel hinter der Scheibe weisen darauf hin, dass mindestens bis Ende August niemand zu sprechen ist. Durch die Glasscheibe sind drei weiße Baseballcaps zu erkennen, die an Garderobenhaken hängen und auf denen in grotesker Schrift „Goethe 1999“ gedruckt ist.
Direkt gegenüber des verwaisten Zentrums fand am 8. Februar die erste Hausbesetzung Islands statt. Zehn junge Künstler und Kunststudenten brachen das Haus in der Lindargata 48 b auf. Jahrelang war es der Treffpunkt der Schwulen- und Lesbenorganisation Islands gewesen, der Samtökin 78. Nachdem diese eine neue Bleibe am Laugavegur, in der Hauptstraße, gefunden hatte, stand das Haus über ein Jahr leer. Eigentümer der Immobilie ist die größte isländische Schiffsgesellschaft Eimskip. Zur kältesten Jahreszeit im Februar öffnete Unnar Örn Audarsson mit einem Vorschlaghammer das Fenster: „Noch am gleichen Abend stellten wir Möbel in das Haus und dokumentierten die erste Hausbesetzung Islands mit Video und Fotos.“ Das Samtökin-Haus heißt nun Gulhusid, goldenes Haus – „weil es bei der Besetzung noch golden angestrichen war“, erläutert der Kunststudent Egill Egilsson. Seitdem haben hier fünf Ausstellungen stattgefunden, etliche Performances, gab es ein 36-Stunden-Konzert mit Electric-Music, wurden Filme gezeigt und Turntable-Art zelebriert. Kontakte zum Goethe-Institut in Sichtweite direkt gegenüber gibt es nicht. Auf Nachfrage reagieren die jungen Künstler eher überrascht. „Ach, da ist etwas? Ich dachte immer, das wäre ein Lagerhaus“, so die Künstlerin Radhildur Ingadóttir. Ihre Überraschung wirkt dabei nicht gespielt. Sie hat alle Innenwände des Gulhusid blau gestrichen, als Reaktion auf die Arbeit des Künstlers Birgir Andresson, der das Haus mit isländischem Grün gestrichen hat.
„Aber es wäre doch sehr schön, wenn die Ausstellung ‚Goethes isländische Reise‘ bei uns stattfinden könnte“, bietet Unnar an. „Wir sind offen für Aktionen und fänden es wunderbar, wenn das private Goethe-Institut hier einziehen würde.“ Vielleicht kommt ja dann auch das Goethe-Zentrum von der anderen Straßenseite zu Besuch?
Künstler, Autoren und alle kreativ Gestaltenden können sich deshalb gern an der Ausstellung beteiligen, indem sie ihre Arbeiten ans Gulhusid senden. Leider ist eine Rücksendung nicht möglich, da die Besetzer kein Geld für Porto zur Verfügung haben. Kopien, Fotos, Gipsabgüsse und einfache Skizzen sind dagegen selbstverständlich willkommen. „Auch Videos und Musiktapes“, so Unnar, „wir verfügen sogar über eine kleine technische Ausrüstung.“ Die Einsender erhalten eine Einladungskarte mit den Namen aller beteiligten Künstler. „In einer Künstlerbiografie macht sich das sicher gut“, meint Egill – „eine Ausstellung in Reykjavík, Island, in der Galerie Gulhusid.“ Und das im Kulturhauptstadtjahr 2000.WOLFGANG MÜLLER
Beiträge an „Gulhusid/Gelbes Haus, Unnar, Postbox 987, IS-121 Reykjavík, Kennwort: Goethes isländische Reise
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