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big in koreaFRANK KETTERER klärt eine Befindlichkeit

Michael ärgert sich

Michael kommt aus Rodenbach bei Hanau und ist ein netter Kerl, was schon daran ersichtlich wird, dass er einen ziemlich weiten Weg auf sich genommen hat, nur um sich hier in Asien ein paar Fußballspiele der deutschen Elf anzusehen, live und vor Ort versteht sich. Selbst dafür, dass Völlers Buben beim großen Fest bisher eher etwas rumpelfüßelnd dahergekommen sind, hat Michael aus Rodenbach Verständnis, mehr noch: Wenn man abends zusammensitzt beim Feierabend-Bierchen, über Fußball spricht und darin sogar die deutsche Mannschaft miteinbezieht, verteidigt Michael, der schon bei der WM in Frankreich mit dabei war und auch bei der letzten EM, die DFB-Kicker und deren Leistung mit Zähnen und Klauen. Er sei nun mal Fan und ein Fan müsse seine Mannschaft in Schutz nehmen, sagt er dann. Und außerdem stehe Deutschland ja im Finale, so schlecht könne die Mannschaft ja wohl kaum sein.

Wie gesagt, Michael ist ein wirklich netter und angenehmer Zeitgenosse, und so aufopferungsvoll er seine Mannschaft auch gegen jedwede und seiner Meinung „doch arg überzogene Kritik“ verteidigt, nur uneingeschränkte Liebe findet das deutsche Team selbst bei ihm nicht. Nicht mehr, wie man vielleicht sagen sollte, denn das dem so ist, hat auch mit dem Erlebten hier in Asien zu tun. Vor allem auf Christoph Metzelder ist Michael gar nicht gut zu sprechen, was daher rührt, dass Michael und ein paar Freunde, wie er Fans der deutschen Mannschaft, noch in Seogwipo gerade dazu kamen, als ein Kamerateam von Sat.1 vor dem Mannschaftshotel auf den deutschen Verteidiger wartete, um ein Interview mit ihm führen zu können. Metzelder, ein junger Bursche von 21 Jahren, kam also aus dem Hotel, begrüßte die Fernsehleute freundlich per Handschlag, die drei Fans aber, die in den Trikots der deutschen Mannschaft daneben standen, würdigte Metzelder keines Blickes.

„Der hat einfach durch uns hindurchgekuckt, als wären wir Luft für ihn“, erzählt Michael und man spürt, dass ihn das eine Woche später noch ziemlich ärgert, weil es ja auch wirklich ärgerlich ist: Um die halbe Welt zu fliegen wegen ein paar Typen, die dich dann noch nicht einmal anschauen oder auch nur ein „Grüß Gott“ zuraunen. Grotesk wurde der Vorfall , als dann auch noch ein Sat.1-Mann Michael und seine Freunde anherrschte, sie sollten sich doch nun endlich ein Autogramm von Metzelder holen, er würde das gerne filmen. „Who the fuck is Metzelder?“, haben Michael und seine Freunde da geantwortet, sich umgedreht und sind einfach gegangen. Ohne Autogramm natürlich.

„Who the fuck is Metzelder?“ Das ist seither ein geflügeltes Wort bei Michael und seinen Freunden, die sich auch sonst ein bisschen darüber wundern, wie sehr sich die deutsche Mannschaft hier in Asien abschottet, auch vor den eigenen Fans. „Das Hotel glich einem Hochsicherheitstrakt“, erzählt Michael, näher als auf eine Entfernung von knapp 300 Metern ließ man ihn und seine Freunde erst gar nicht rankommen, dann trat sofort der ein oder andere der rund 50 Polizisten in Erscheinung, die Hotel und Grundstück bewachten und abriegelten.

Beim Training sah es meist nicht besser aus. Und selbst nach den Spielen habe sich die Mannschaft bisher sehr distanziert gezeigt, findet Michael, nur Oliver Kahn war da mal wieder die Ausnahme und kam etwas näher heran an den Zaun, um seine Handschuhe in die Menge zu werfen.

Fanfreundlich, das steht für Michael fest, ist das Verhalten der deutschen Mannschaft hier jedenfalls nicht. „Man bekommt da noch mehr als in Deutschland das Gefühl, dass das nur noch Stars sind, die abgeschirmt vom Rest der Welt leben“, sagt der 30-Jährige, der als Chemieingenieur arbeitet. Zwar hat er von Anfang seiner Reise an, also vor vier Wochen, nicht erwartet, „dass die Spieler mir hier vor Freude um den Hals fallen“. Mit ein bisschen mehr Entgegenkommen aber hätte er schon gerechnet, zumal es ja keine Tausende sind, die den Trip nach Asien gemacht haben. „So wie es jetzt ist, ist es einfach zu wenig.“

Vor allem die Sache mit Metzelder geht ihm noch nach, irgendwie hat sie ihn persönlich getroffen. „Wenn man gegrüßt wird, dann grüßt man zurück. Das hat mit gegenseitigem Respekt zu tun“, sagt er und auch, dass es traurig sei, dass die deutschen Nationalspieler das zumindest teilweise nicht so sehen. „Da bin ich schon enttäuscht über den Stil“, sagt Michael, der, nur um das klarzustellen, nicht irgendein herumgrölender Proll-Fan ist, sondern auch als Anhänger der deutschen Mannschaft zu der angenehmeren Sorte zählt.

Von Asien und der WM ist er dennoch begeistert, „trotz der deutschen Rotzbuben. Diese Gastfreundschaft, diese Freundlichkeit der Menschen und all diese Gerüche und Töne“, und natürlich die Begeisterung, vor allem in Südkorea, „wenn die eigene Mannschaft spielt, das kriegt man zu Hause vor dem Bildschirm ja nie und nimmer so mit. Das hier ist echtes WM-Feeling“, schwärmt er und folgert daraus: „Ich bin froh, diese Reise gemacht zu haben und ich würde sie sofort noch mal machen.“ Allerdings nicht wegen der deutschen Mannschaft.

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