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bettina gaus über Fernsehen Ungesundes Vertrauen

Über Veronas Tränen diskutiert die Öffentlichkeit, die propagandistischen Berichte über den Krieg nimmt sie hin

Haben die Taliban einen US-Hubschrauber abgeschossen? Wann haben die USA die Lufthoheit über Afghanistan erlangt? Hat Verona Feldbusch im ZDF echte Tränen geweint? Zumindest über diese letzte Frage darf die deutsche Öffentlichkeit diskutieren. Der blubbernde Gefühlsausbruch des Werbestars ist auf fast allen Kanälen fast so oft gezeigt worden wie der Einsturz des World Trade Centers, allerdings ohne Musikbegleitung. Noch in der laufenden Show wurde dem Publikum per Nachrichtenband mitgeteilt, dass Ex-Ehemann Dieter Bohlen sich ebenfalls zu Wort melden wolle. Seither erkunden TED-Umfragen die Meinung der Zuschauer zum Thema.

Gesegnet sei das Paar. Besser lässt sich ein gesundes Misstrauen gegenüber TV-Inszenierungen kaum erzeugen. Und vielleicht retten ja einige Zuschauer einen Teil dieses Misstrauens in andere Sendungen hinüber. Wünschenswert wäre das. Manche Fernsehjournalisten scheinen nämlich die alte Erkenntnis, der zufolge in jedem Krieg zuerst die Wahrheit stirbt, für eine Ermutigung zu halten, nun wenigstens die Stimmigkeit dieser Sentenz zu beweisen.

„Zumindest in einem Fall“ stimme „möglicherweise“ die Behauptung der Taliban, der zufolge die US-Bomben auch Wohngebiete der Zivilbevölkerung träfen, erfuhr das Publikum aus einer „heute“-Sendung. „Laut CNN“ sei ein Wohnviertel in Kabul bombardiert worden. Nun ist es durchaus lobenswert, dass die Kollegen gelegentlich bei einem Sender reinschauen, der sich zwar auch auf die Technik einer gefärbten Berichterstattung versteht, deswegen aber nicht gleich die Grundsätze des journalistischen Handwerks außer Kraft setzt. Aber muss deshalb auf jede andere Quelle verzichtet werden? Immerhin war die erste Agenturmeldung über die Bestätigung der Bombardierung durch das Pentagon bereits über eine Stunde alt.

Manche Redakteure nehmen sich viel Zeit, um den Zuschauern zu erklären, wie sie Ereignisse einzuordnen haben. Vier UN-Mitarbeiter starben durch einen US-Marschflugkörper. Diese Nachricht „liefert natürlich Stoff für Propaganda“, wie ZDF-Moderator Klaus-Peter Siegloch mit seinem unbeirrt gut gelaunten Lächeln den Zuschauern mitteilte. Dann sahen wir einen alten Mann vor einer Trümmerwüste, der fragte, weshalb die USA in dieser Gegend Bomben abwürfen. Hier gebe es doch gar keine Militäranlagen. Gut, dass Siegloch uns vorab gesagt hatte, wie das einzuschätzen war. Sonst hätten wir uns das womöglich auch gefragt.

Es kämpfen übrigens nur die Taliban an der Propagandafront. Die USA teilen Tatsachen mit, die vom deutschen Fernsehen auch als solche verbreitet werden. Zum Beispiel die Meldung, dass westliche Streitkräfte bereits am dritten Tag nach Beginn der Angriffe die Lufthoheit über Afghanistan erlangt hatten. Die dürfte in diesem Land zwar nicht kriegsentscheidend sein, aber beruhigend war die Nachricht doch. Sie erlaubte, den eigenen Augen nicht zu trauen und diesen seltsamen Bildern keinen Glauben zu schenken, auf denen Luftabwehrraketen zu erkennen waren. Jedenfalls so lange, bis die USA sich selbst dementierten.

Krieg verstört ja immer noch ziemlich viele Leute, obwohl Bundeskanzler Gerhard Schröder so tapfer die Enttabuisierung des Militärischen fordert. Da helfen Sätze wie dieser im „Bericht aus Berlin“ schon ein bisschen weiter: „Die deutsche Bevölkerung kann sich bisher auf eines verlassen: Die neue Außenpolitik ist kein Thema für Parteiengezänk.“ Wie kraftvoll hat die ARD hier eine Brücke zwischen deutscher Vergangenheit und Zukunft geschlagen!

Natürlich ist es ungerecht, über die Fernsehberichterstattung der letzten Wochen nur zu meckern. Man muss sich nicht mit so dumpfbackiger Intellektuellenschelte profilieren wie das jetzt ein Herr Tuma im Spiegel versucht, um anzuerkennen, dass einige Sondersendungen informativ waren, dass einige Gesprächsrunden ein hohes Niveau erreichten – und dass einige Korrespondenten ihren Beruf trotz heftiger Gegenwehr aus den Zentralen seriös ausüben.

Dirk Sager zum Beispiel. Unmittelbar nachdem er überzeugend erläutert hatte, weshalb er nicht über gesicherte Informationen vom Geschehen an der Front verfügte, wurde er gefragt, ob er Näheres über das Geschehen an der Front berichten könne. Antwort: „Aus den bereits geschilderten Gründen kann ich das nicht.“ Wumm. Keine Schleife, keine Sprechblasen. Einfach nur kalte Sachlichkeit. Wunderbar.

Aber sind derartige geglückte Einzelleistungen nun Anlass für Begeisterungsstürme – oder sollten sie ebenso selbstverständlich sein wie die Forderung, ein Klempner möge imstande sein, ein verstopftes Klo zu reparieren? Ach, egal. Ich glaube jedenfalls, dass die Tränen von Verona Feldbusch echt waren. Man kann attraktiver weinen, als sie es getan hat. Was meinen Sie?

Fragen zum Fernsehen?kolumne@taz.de

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