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■ betr.: „Am Anfang schon am Ende“, taz vom 2.9. 97

Natürlich erscheint Annette Rogallas Ansicht: „Ein erster Schritt wäre getan, würden endlich schulische Rahmenpläne und Anforderungen der Wirtschaft aufeinander abgestimmt“, angesichts der vorgestellten Daten über die abnehmenden Fähigkeiten von Hauptschülern auf den ersten Blick konsequent. Richteten sich die Schulen bezüglich der Inhalte ihrer Lehrpläne stärker nach den Anforderungen der Wirtschaft, bereiteten sie ihre Schüler also besser auf das Arbeitsleben vor, ginge den Unternehmen in der Lehrstellendiskussion ein Trumpf verloren. Ob dadurch tatsächlich mehr Ausbildungsplätze entstünden, bleibt jedoch fraglich. Auch im Sinne einer effektiv funktionierenden Volkswirtschaft mag Frau Rogallas Vorschlag vorteilhaft sein.

Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch die Frage nach Sinn und Zweck der Bildungseinrichtung Schule und dem Eigenwert der Bildung an sich. Wenn schulisches Lernen nur noch oder in erster Linie darauf abzielt, den Anforderungen der Arbeitswelt zu genügen, bedeutet dies, daß die Bildungseinrichtungen dem Diktat der wirtschaftlichen Rationalität unterworfen werden. Der mündige, weil gut informierte und gebildete Bürger als Ideal, Bildung als Instrument der Befreiung und als Grundlage, Entscheidungsmöglichkeiten wahrnehmen zu können, fallen bei dieser Konzeption unter den Tisch.

Diese Fixierung auf die Erfordernisse der Wirtschaft mögen zu einer Maximierung der Effizienz, was die Ausnutzung des Menschen als Arbeitsmaterial betrifft, beitragen; sie sorgt andererseits jedoch für eine Minimierung der kreativen menschlichen Möglichkeiten, verhindert die Herausbildung von Sichtweisen und Ansätzen, die den Status quo überschreiten, reduziert den Menschen zum funktionalen Teil im Getriebe des wirtschaftlichen Wachstums. Michael Dorsch, Göttingen

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