berliner szenen: Flanieren durch die Hasenheide
Es ist mein letzter Arbeitstag vor den Ferien. Als hätten diese bereits angefangen, flaniere ich mit einem Kaffee in der Hand durch den Wochenmarkt am Maybachufer und kaufe hier und da Kleinigkeiten, für mich oder zum Verschenken. Es überrascht mich, dass um 10.30 Uhr viele Marktstände erst noch langsam aufgebaut werden, ich genieße aber, es zu beobachten und den Konversationen der Händler*innen zu lauschen.
Später trinke ich Espresso in einer italienischen Cafeteria um die Ecke und unterhalte mich mit der Kellnerin. Auf dem Weg zurück nach Hause besuche ich jede Buchhandlung, die ich auf dem Kottbusser Damm und in dessen Umgebung finde. Früher schaute ich mir viel öfter Bücher einfach so an. Ich las gerne die ersten Zeilen und den Klappentext, und das mache ich an diesem Freitag genauso.
Als ich am Hermannplatz ankomme, entscheide ich mich, nicht den kürzesten Weg über die Karl-Marx-Straße zu nehmen, sondern die längere, aber schönere Variante durch die Hasenheide. Vielleicht weil ich sonst, wenn ich zum Park gehe, immer am Joggen bin, kommt er mir nun viel größer vor als normalerweise. Mittlerweile ist es Mittag und es ist heiß und schwül. Es liegen kaum Menschen herum (außer auf der FKK-Wiese, sie ist voll) und nur wenige fahren mit dem Rad vorbei.
Neben dem Teich schlafen Schwäne und Enten, als Soundkulisse ist der Gesang aus der nahegelegenen Moschee zu hören. Die Meisen – die sonst aus meiner Hand essen – haben keine Lust auf Nüsse. Als ich in der prallen Sonne den Columbiadamm runterlaufe, kommt es mir vor, als wäre ich im Urlaub: eine Touristin, die nicht verstehen möchte, dass die Siesta-Zeit nicht zum Spazierengehen da ist, sondern um Siesta zu halten.
Luciana Ferrando
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