berliner szenen: Ost-West-Jugend-feiern
Ein trüber Abend Anfang November. Wir treffen uns in einer Pankower Kneipe zum Elternstammtisch. Das ist so etwas wie Elternabend, nur ohne LehrerInnen. Wir sprechen über eine Klassenfahrt, einen Schüleraustausch – und die Jugendweihe. Zu Schuljahresbeginn hatten Eltern daran erinnert, dass es an der Zeit sei, die Kinder anzumelden, um zu ermöglichen, diese Feier im Klassenverband zu erleben.
Mein Kind ist in der 8. Klasse und zeit seines Lebens in Ostberlin zur Schule gegangen. Er weiß in etwa, was Jugendweihe ist. Und natürlich weiß auch ich, dass es heute Jugendfeier heißt und dabei niemand mehr DDR-Gelöbnisse ablegt. Trotzdem war ich überrascht, als im September diese Mail gekommen war. Als ich in der 8. Klasse war, in Niedersachsen vor mehr als dreißig Jahren, hatte ich Konfirmation. Wie der Großteil der Klasse. Außer denen, die katholisch oder neuapostolisch waren. Die Kirchenzugehörigkeit stand vorne im Klassenbuch. Deswegen weiß ich, dass niemand konfessionslos war. Und auch nicht muslimisch, jüdisch oder buddhistisch.
Jetzt also die Jugendfeier. Im Friedrichstadtpalast. Mit anschließender Party. Wir sitzen in dieser Kneipe, dreißig Jahre nach dem Mauerfall, mitten in Berlin. Und plötzlich steht diese Ost-West-Frage im Raum. Völlig unvermittelt. „Warum sollen eure Kinder denn da nicht mitmachen?“, fragt eine Mutter ganz erstaunt. Eine andere erklärt uns West-Eltern, was die Jugendfeier ist. „Im Westen gibt es dafür dann die Kommunion in der Kirche.“ Wie lange es wohl solche Gespräche noch geben wird? Wie lange erklären „Ost-Eltern“ „West-Eltern“, was eine Jugendfeier ist. Wie lange gibt es noch „West-Eltern“ mit kirchlicher Sozialisation, denen eine atheistische Initiationsfeier fremd ist. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit. Mentalitätswandel dauert definitiv länger. Gaby Coldewey
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