berliner szenen: Buletten, Kartoffeln, kein Salz
Es ist dann irgendwann doch auch mal Feierabend. Dass das da draußen nur Wetter, kein Klima sein soll, die Nazis nur Konservative und Information über Abtreibung Werbung für Abtreibung: Wir schauen gerade dabei zu, wie sich Wahrnehmungen verschieben. Aber wenn es live passiert, die Bratkartoffeln mit Buletten vor sich, fühlt es sich etwas irre an.
„Ach hier ist das Salz!“, sagt der Mittfünfziger im Vorbeigehen draußen auf dem Bürgersteig vor dem Lokal. Er saß zuvor drin, bei 33 Grad, abends um halb zehn und aß Buletten mit Bratkartoffeln. Super Wahl, nur: Die Kartoffeln brauchen Salz.
Ich weiß das, weil auch ich Buletten mit Bratkartoffeln aß, bei 33 Grad, abends um halb zehn – draußen. Nur ohne Salz. Also Treppe rauf, rein, drinnen alles leer, kein niemand, kein Salz am üblichen Ort, kein Kellner. Nur an einem Tisch ein Typ mit Bulettenbratkartoffelteller und Salzstreuer vor sich. „Entschuldigen Sie, brauchen Sie das noch?“, ich deute auf das Salz. „Nein, können Sie nehmen“, sagt er. „Danke“, sage ich, und schnell wieder raus in die Luft.
Die Buletten sind längst aufgegessen, die Kartoffeln auch, das Weißweinglas noch nicht ganz leer. Da kommt der Kartoffel-Mann vorbei mit seinem „Ach hier ist das Salz!“-Satz. „Ja, danke noch mal“, sage ich. „Wissen Sie, ich hatte auch lange nach dem Salz gesucht“, sagt er. – „Ja, stimmt, ich hatte auch kein anderes gesehen“, sage ich.
Er macht eine Pause. Dann: „Wissen Sie, ich würde nie jemandem das Salz wegnehmen, während der noch isst.“ – „Aber ich habe Sie doch gefragt, Sie hätten doch nein sagen können“, sage ich. Er holt kurz Luft, wendet sich ab, im Gehen sagt er: „Sie sind offenbar der Typ Frau, der sich einfach nimmt, was er will.“
Ein Klassiker, diese Erklärbärszene. Wie Buletten mit Bratkartoffeln. Die schmecken nur besser.
Anne Haeming
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