berliner szenen: Ministerkontakt
Ananas-Joschka
Ananas kaufen: gute Sache. Man schlendert zu einem Obststand seines Vertrauens, untersucht die Südfrüchte auf Größe und Reifegrad, nimmt matschige Stellen in Augenschein, wählt eine der Früchte aus, gibt Geld, macht einen Scherz. Voilà, schon darf man sich als Besitzer einer Ananas fühlen. Geht ganz einfach.
Nur unser Außenminister tätigt einen Ananaskauf anders. Bei ihm dreht sich alles um Geschwindigkeit. Wenn Joschka Fischer auf dem Winterfeldtmarkt eine Ananas kauft, zum Beispiel heute genau vor einer Woche, geht das so: Er eilt auf dem Stand zu, greift sich irgendeine Frucht, zieht blitzschnell einen Zwanzigmarkschein aus der Hosentasche, grapscht nach dem Wechselgeld, ohne die Verkäuferin anzugucken – und schon ist er wieder weg, in Richtung der Fischstände übrigens.
Das Ganze ähnelt mehr einem Überfall als einem Obstkauf. Ausschlaggebend sind Sicherheitsgründe. Denn natürlich wird Joschka Fischer erkannt, trotz Trenchcoat und tief ins Gesicht gezogener Baseballkappe. Nur braucht man eben einige Sekunden, um das in seiner Verblüffung auch wirklich zu registrieren. Nach genau dieser kurzen Zeitspanne muss Fischer wieder weg sein. Würde ihn jemand ansprechen, etwa um ein Autogramm bitten, er wäre verloren. Eine Menschentraube würde sich bilden, Fischer käme nicht mehr weg. Im Grunde hat er nur die Zeit zum Verweilen, die das Gehirn vom Empfangen der ersten visuellen Eindrücke bis zur tatsächlichen Bewusstwerdung der Sinnesdaten benötigt. Da Berliner bekanntlich keine lange Leitung haben, hat Fischer in der Realität immer etwas Schemenhaftes: so, als sei er gar nicht da gewesen. Im Fernsehen wirkt er wirklicher. DRK
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