berliner szenen: WSV im KaDeWe
Timberlands, Tangas
KaDeWe, zweite Etage, Dessousabteilung. Die Lingeriewaren von Aubade, MarieJo und Simone Perèle liegen dezent ausgeleuchtet auf Tischen im Rund. Stickereien und Seidenträger leuchten in mildem Mandarin und Reseda. Sie sind und bleiben unbezahlbar. Etwas seitlich drapieren Schießer, May und Esprit ihre Kreationen. Gekämmte Baumwolle in Weiß, Schwarz und Creme, hin und wieder ein pinkfarbener Ausreißer. Bezahlbare Qualität zu reduzierten Preisen, jetzt, zum Beginn des Winterschlussverkaufs.
Ein Paar um die Vierzig betritt die Szene. Beide tragen hochgeschlossene Wetterjacken, Outdoorschuhe, sie ein selbst gefärbtes Seidentuch, er eine Drahtbrille. Gemeinsam betrachten sie die Luxusunterwäsche. Sie: „Guck mal, wer soll denn das anziehen?“ Er: „Das ist doch ganz schön, oder?“ – „Also nein, ich bitte dich! Da kann man sich ja gar nicht drin bewegen.“ – „Ja, nein, kann man wohl nicht.“ Sie kommen zum Esprit-Stand. Die BHs und Höschen weisen durchaus das eine oder andere Blümchen am Träger, manche Schleife am Busen auf. Sie: „Das ist doch total übertrieben. Das sieht doch eh keiner.“ Er: „Doch, ich.“ Sie: „Ja, duuu! Fändest du das etwa schön?“ Jetzt wird es eng für den Mann mit der Drahtbrille. „Ich glaube, das gibt es eh nicht in deiner Größe.“ Sie schnürt Unverständliches murmelnd Richtung Grabbeltisch. Dort reißt sie genervt heruntergesetzte Bustiers, Strapse und winzige Tangas hervor. „Wär dir so was lieber, ja?“ Der kleine Mann schweigt betreten – er hat mich auf meinem Horchposten hinter dem Joop-Regal entdeckt. Beschwichtigend legt er seine Hand auf ihren Unterarm. „Wir wollten doch neue Timberlands für dich kaufen. Komm, die gibt’s im ersten Stock.“ ANJA MAIER
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