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berliner szenenWegfahren

Heiß ist es hier drinnen und stickig. Besonders am späten Nachmittag, da wird die Luft so dick und müffelig wie in einem Fuchsbau. Das Fenster öffnen, geht nicht. Draußen toben zwei Jungsmannschaften über den Sportplatz und treiben sich gegenseitig auf Türkisch zum Toreschießen an.

Und plötzlich diese Stille. Niemand brüllt mehr, kein Schrei hallt durch den Hinterhof. Wie angenehm! Denkt man, nur um am zweiten Tag schon mit einem Seufzen festzustellen, dass der Lärm fehlt. Dann weiß man, dass Sommerferien sind, dass die Schule für sechs Wochen ausgestorben ist wie auch der Rest des Viertels. Dann ist man allein noch übrig geblieben nach der Flucht aus Berlin.

D. mag die ruhigen Sommer in der Stadt, er mag es, wenn man zum Sonnenuntergang auf der Straße sitzt, vor sich hin schwitzt und dabei Bier trinkt, gerne mal eins zu viel. Aber auch D. wird nicht den ganzen Juli und August in Berlin verbringen, sondern irgendwann an die Nordsee fahren mit den Kindern.

Tatsächlich sind die zwei Monate jedes Jahr gleich: Die Menschen, die hier wohnen, fahren weg, und andere kommen. Das nennt man wohl Austausch und meint damit auch Kultur. Zum Beispiel die beiden Japaner, die eben am Imbiss standen, staunend die vielen Gerichte auf der Karte lasen und schließlich in abgehackten Worten „zwei – Pizza – mit – Mini“ bestellten.

Anders als Berlin sind Großstädte wie Paris oder London aber selbst dann stets völlig überfüllt, wenn die einheimische Bevölkerung in den Urlaub zieht. Hier gibt es sogar zur Love Parade noch erstaunlich viel Platz in der U-Bahn Richtung Tiergarten. Und dort ist es wiederum seltsam, dass sich überhaupt so viele Menschen ausgerechnet in der schönsten Zeit durch den Louvre oder über die Oxford Street schleppen statt am Trafalgar Square zu tanzen. Und wenn es dann gewittert und regnet, sitzen sie bei McDonald’s und schreiben schmollend Postkarten über einen furchtbar nassen Sommer. Den hätte ich auch gerne, gleich morgen, am Meer.

HARALD FRICKE

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