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berliner ökonomieGebrauchtpelzhandel in Portugal

Berliner Start-up

„Geld darf man nicht fesseln, sonst kommt nichts dazu“, so lautet das Motto der 41-jährigen Ulrike D., die es als Wahlkreuzbergerin vom Rheinufer in Portugal zu einer hübschen Karriere gebracht hat. Es begann damit, dass die Lehrerstochter schon während der klassischen Studien-Kombi Pädagogik/Germanistik/Geschichte wusste, dass sie eines Tages auswandern und nicht in der Schule versauern wollte. Als Startkapital hatte sie ihre Erbschaft in Höhe von 30.000 Mark – und Kreuzberger Freunde aus der Hausbesetzerszene. Nach einem längeren Aufenthalt in Mexiko, wo sie ihre Reisekasse in einem abgelegenen Dorf durch den Aufbau eines lokalen Schwarztauschhandels mit US-amerikanischen Dollar einigermaßen zuverlässig aufzufüllen verstand, war ihr jedoch klar, dass Mexiko auf lange Sicht zu wild für eine dauerhafte Niederlassung sei.

Zurück in Deutschland schien Südeuropa einfach besser. Also schaffte sie sich gemeinsam mit einem Freund einen Truck an, der zur genauen Erkundung der neuen Heimat als Eigenheim ausgebaut wurde. Um aus diesem Unternehmen kein reines Zuschussgeschäft werden zu lassen, zimmerten die beiden außerdem eine Bar in den Wagen. So ausgerüstet, wollten sie in der Marktlücke „Tolle Strände ohne Bar“ ihr Glück versuchen.

Der geeignete Strand war bald gefunden, die richtigen Leute waren auch zur Stelle. Mit einer wilden Warm-up-Party legten die beiden in der „Bar Atlantico“ einen fulminanten Start hin. Allerdings gelang dann der heikle Übergang zur kommerziell betriebenen Gastronomie nicht mehr. Die beiden bekochten die Beach-Community und im Herbst waren ihnen nur Erinnerungen an einen schönen Sommer und 7.000 Mark Schulden geblieben. Immerhin wusste Ulrike seitdem, dass Portugal das richtige Land für sie war, und die „Bar Atlantico“ war außerdem zu einem beachtlichen Kontaktnetz gewachsen.

Unter anderen gab es da eine gewisse Antonia aus Lissabon, eine ebenso flippige wie geschäftstüchtige Angestellte der staatlichen Wohnaufsichtsbehörde. Mit ihr kam in der folgenden Wintersaison endlich geschäftlicher Grund in die Portugalpläne: In Berlin waren damals die Pelzmantelsprayer unterwegs, was viele Damen zum Verkauf ihrer Schätze veranlasste. Auf den Flohmärkten waren Persianer, Nerze und Blaufüchse in anständiger Qualität zu Schnäppchenpreisen zu bekommen.

Zurück in Berlin kaufte Ulrike eine erste Autoladung Pelze – und Antonia verkaufte die Pelzmäntel vornehmlich an die Gattinnen der Staatsbeamten. Bald florierte der Handel. Ulrike wusste immer besser, worauf es beim Pelzmantelkauf ankam, und so läpperte sich allmählich neues Startkapital zusammen. „Noch heute könnte ich mit dem Pelzhandel Geld verdienen. Aber so wie ich es im Leben noch nicht länger als sechs Monate bei einem Chef ausgehalten habe, stand mir der Sinn nach etwas Neuem.“

Ulrike, die schon immer „ein Händchen für Häuser“ hatte, guckte sich – getragen auf den Flügeln einer neuen Liebe – im Alentejo als nahe liegendstem Wirkungsfeld genauer um und ließ sich von einem etwas windigen Geschäftsmann in das portugiesische Immobilienwesen einführen. Dessen Firma machte wegen einer dubiosen Off-Shore-Ölgeschichte bald pleite, und damit war der Weg in die Selbstständigkeit nahe liegend. Obwohl Ulrike typmäßig eine sehr dem Hippietum zugeneigte Frau ist, das Dolce Vita liebt und „bloß keinen Stress“ haben will, ist sie äußerlich stets wie aus dem Ei gepellt und versteht als Lehrerstochter mit der ebenso solventen wie berüchtigten Pädagogenklientel ganz ausgezeichnet umzugehen. „Alle anderen können mit den vielen Lehrern, die nach Portugal ziehen wollen, überhaupt nicht umgehen – aber ich liebe Lehrer und komme ganz ausgezeichnet mit ihnen klar.“

Das sprach sich herum. Nach inzwischen 10 Jahren im Geschäft ist Ulrike zu einer der bekanntesten Anlaufstelle für Deutsche, aber auch Briten und Holländer geworden, die sich in Portugal ganz oder teilweise niederlassen wollen. „Inzwischen habe ich einen ganzen Pool von Häusern. Und weil ich mit fast allen Kunden auch nach Vertragsabschluss ein gutes Verhältnis pflege, kommen sie alle zu mir, wenn sie ihr Haus wieder verkaufen wollen. Wegen der vielen Scheidungen passiert das immer häufiger – und für mich sind Zweitverkäufe das Beste überhaupt. Dann sind die Papiere schon alle in Ordnung und ich habe kaum mehr Arbeit damit.“

Derzeit ist Ulrike mit der Anlage eines Yoga-Rasens vor ihrer eigenen Farm beschäftigt, und eben dort kommen der begeisterten Indienreisenden bei morgendlichen Übungen neue Geschäftsideen. „Ich wollte immer schon gerne ein Hotel haben, aber es muss schon was Besonderes sein, sonst hat man bei der Konkurrenz vor Ort keine Chance.“ Zwar hat sie das geeignete Objekt noch nicht gefunden, aber das gewisse Extra, das Ulrikes Hotel von anderen unterscheidet, ist bereits in Planung. „Es soll Zimmer von low-budget bis luxuriös geben, aber für alle Gäste gleichermaßen zugänglich ist das Angebot von Meditationskursen, dazu ein bisschen Esoterik und Astrologie. Ich denke, das wird funktionieren!“ DOROTHEE WENNER

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