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berliner modeBaustellen-Chic

Brigitte und Petra kommen aus Hamburg, die Freundin und Marie Claire aus München. Und wir? Berlin hat neuerdings die kostenlose Leonce, und da heißt die Modestrecke grüblerisch „wie aussehen“. Mode ist in der deutschen Hauptstadt eher Gegenstand ontologischer Seinsfindung als eine leichtsinnige Laune der Ästhetik. Männer und Frauen verbringen vor der Soiree mehr Zeit damit, ihre Individualität zu kleiden, als damit, elegant gefallen zu wollen. Nicht von ungefähr rühmt sich die Spreemetropole, das Wort „Lackaffe“ erfunden zu haben. Hier muss niemand glänzen, um auf dem Quivive zu sein. Warum auch? Mit Kiez und Kommunen wurde Berlin die Hauptstadt der Deutschen. Mit Baustellen-Sightseeing sogar zum aufregendsten Event des touristischen Jetsets.

Kommentar von ADRIENNE WOLTERSDORF

Das Modeverständnis der Berliner ist kess und querulant. Die erfolgreichste Wäschekreation war die Dessousgarnitur der BVG mit aufgedruckten U-Bahn-Stations-Namen wie „Rohrdamm“ in der Schrittgegend. Niemals würden die Berliner sich über Rocklängen echauffieren. Geht es aber um die Frage der Farbe des Brandenburger Tors, ist ein Plebiszit das mindeste aller Einsatzmittel.

Mode wird in dieser Stadt in der Debatte um ihre Baulichkeiten gelebt. Hier finden die Berliner, die zwischen Alex und Ku’damm noch immer nicht wissen, wo ihre neue Mitte liegt, ihr Metropolen-Ich. Die kleidsame Hülle, die sie über die Provinz erhebt. Ein Sony-Turm am Potsdamer Platz ist dem Selbstbewusstsein der Berliner mehr als handgenähte Krokoschuhe. Die sind nach einer Saison passé. Und Vergänglichkeit ist das, was der Berliner nicht mehr erleiden mag. Mode in Berlin, die muss jede Laune der Geschichte überdauern.

tagesthema SEITE 30

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