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berliner luftStuten im Nebel

die berlin-parlamentskolumne

von Anja Maier

Kuckuck, da ist sie wieder. Dreieinhalb Jahre nach ihrem 4,8-Prozent-Rauswurf bündelt die einstige Regierungspartei FDP in diesem Jahr all ihre Kräfte. An diesem Wochenende nimmt sie sich ganze drei Tage Zeit für ihren Bundesparteitag. Eine Zeitspanne, die im direkten Gegensatz zu ihrer politischen Bedeutung steht. Kommende Woche dann treten die Liberalen in Schleswig-Holstein zur Landtagswahl an, am Sonntag drauf in Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern muss es jetzt klappen – damit es fünf Monate später wieder für den Einzug in den Bundestag reicht. Falls nicht, kann die FDP bügeln gehen, um mal eine Formulierung des Kollegen Deniz Yücel zu verwenden.

Damit die WählerInnen den Spitzenkandidaten auch optisch parat haben, hat die FDP ein Video mit Christian Lindner gedreht. Und ja, man kann sagen, die neoliberale Spaßpartei bleibt sich als Ichlings-Verein treu.

„Haben Sie mal was gemacht, von dem Sie überzeugt waren, dass es richtig ist?“, fragt Lindner in dem schnell geschnittenen, mit dissonanten Beats unterlegten Schwarz-Weiß-Video. Man sieht ihn dabei müde im Fond der Vorsitzenden-Limousinen, nachts einsam auf der heimischen Couch sitzen, vor dem Spiegel beim Rasieren. Schließlich der Höhepunkt: Christian Lindner checkt im Hotelzimmer morgendlich verquollen – noch im Unterhemd! – seine Mails auf dem Handy. (Und ohne Übertreibung: Er sieht da ein bisschen aus wie der Sohn seines Vizevorsitzenden Wolfgang Kubicki.)

Die Botschaft: Mensch, Christian, du lonesome Cowboy! Du machst das alles. Das ganze Gefahre, Gewarte, Gequatsche. Das Rasieren und Mailen und Einsam-in-öffentlichen-Toiletten-Rumstehen. Das ist so großartig – dafür möchten wir uns bei dir mit unserer Stimme bedanken.

Charmanter Gedanke, den die PR-Agentur da hatte. Nur leider ist Mitleid keine Kategorie im politischen Geschäft. Und nebenbei gesagt: Die FDP hat sich auch kein Mitleid verdient. In der schwarz-gelben Bundesregierung hat sie so eitel und interessengeleitet agiert, dass eine echte Bürgerrechtlerin wie die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger wie ein Fraktions-Alien wirkte.

Das Lindner-Video hat übrigens noch eine andere Botschaft. Die FDP ist eine reine Männerpartei. In 1:28 tauchen in Christians Welt exakt drei Frauen auf: zwei Präsidiumsmitglieder sowie eine Frau, die zuhört, wenn Lindner mit einem Mann spricht. Und, na gut, vielleicht sind die beiden Pferde im Nebel Stuten. Aber sonst: alles wie gehabt.

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