bannmeile: Parlamentarier kaufen beim Mann ihres Vertrauens. Zu Besuch beim Buchhändler der Berliner Republik
Franz Josef Strauß und der „Playboy“ in der „FAZ“
Dorotheenstraße 90, zweiter Hinterhof, auf einem Schild steht: „Parlamentsbuchhandlung“. In diesem Jahrhundertwendegebäude saß, bevor rund um den Reichstag das Hämmern und Betonieren, das Niederreißen und Neue-Mitte-Aufbauen anfing, das Ostberliner Kulturministerium, Hauptverwaltung Literatur: der höchste Buchzensor der DDR. Nun sitzt hier provisorisch Benedikt Maderspacher, den alle Ben nennen, und was er sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, ist dem Streben der Vornutzer dieses Hauses eher entgegengesetzt. Ben Maderspacher versorgt unsere Bundestagsabgeordneten mit allem, was sie lesen wollen. Er, ein freundlicher Mittvierziger mit zurzeit gerade mal zwei Angestellten, ist der Buchhändler der Berliner Republik.
Er war auch schon der Buchhändler der Bonner Republik gewesen. Als Bonn noch Regierungssitz war, betrieb er die Buchhandlung am Bundeshaus, direkt neben dem Langen Eugen in der kleinen Ladenzeile gelegen, die, wie das so heißt, der Grundversorgung der Abgeordneten diente.
Mit dieser Buchhandlung hat es folgende Bewandtnis: 1950 wurde sie gegründet; Eugen Gerstenmaier (CDU), später Bundestagspräsident, sorgte dafür, dass die Witwe eines Widerstandskämpfers sie betreiben konnte; 1973 jobbte Ben Maderspacher hier als junger Student; er brach das Studium ab, machte eine Buchhändlerlehre, arbeitete dann in der Buchhandlung, übernahm sie schließlich; als in Berlin die öffentliche Ausschreibung für die Buchhandlung am Reichstag eröffnet wurde, bewarb Maderspacher sich sofort, bekam gegen starke Konkurrenz den Zuschlag und sitzt nun also seit dem Juni 1999 in den provisorischen Räumen im zweiten Hinterhof. Im März 2001 wird er in die dann fertig gestellte Ladenzeile in den Dorotheenblöcken umziehen, zwecks Grundversorgung. Er sei, sagt Ben Maderspacher, ein „illegales Kind des Bundestages“, ein Satz, der einen irgendwie beeindruckt, weil das schließlich nicht viele Menschen von sich behaupten können.
Wer kauft nun in der Parlamentsbuchhandlung? Zu neunzig Prozent habe er Stammkunden, sagt Ben Maderspacher. Parlamentsjournalisten, Abgeordnete, Botschaftsmitarbeiter, Lobbyisten. Und was kaufen die für Bücher? Hier zeigt sich Ben Maderspacher, muss man leider sagen, ganz als der Buchhändler Ihres Vertrauens: Konkrete Einzelheiten preisgeben wolle er dann doch nicht. Nur eins könne er verraten, der Strauß, er sei ja nun schon lange genug tot, habe bei ihm früher manchmal den Playboy gekauft und in die FAZ eingewickelt, obwohl er gar nicht prüde gewesen sei. Ansonsten aber seien die Abgeordneten ein ganz normaler Querschnitt durch die Bevölkerung. Manche hätten ausgesprochen literarische Vorlieben. Aber natürlich gingen politische Bücher am besten, im Moment vor allem das Schäuble-Buch.
Und was hat sich nun verändert nach dem Umzug von Bonn nach Berlin? „Och“, sagt Maderspacher, „was den Bundestag betrifft, hat es so manchen Irrglauben gegeben.“ So sei der Kontakt zwischen Abgeordneten und Bürgern in Bonn vielleicht noch besser gewesen. In die Buchvorstellungen, die er veranstaltet, verirrt sich jedenfalls kaum mal ein Berliner. Und überhaupt: Abends seien im neuen Regierungsviertel die Nebenstraßen genauso leer wie in Bonn. „Der Pott Bonn ist hier original wieder hingesetzt worden“, so Ben Maderspacher, der sowieso jemand ist, der für die Kontinuität von der Bonner zur Berliner Republik steht. Im hinteren Raum prunkt der Originalabgeordnetenstuhl von Helmut Schmidt. Er sieht wie ein klappbarer Kinosessel aus und ist erstaunlich niedrig.
DIRK KNIPPHALS
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