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Nazi-Graffiti bleibt tagelangSo eine Hauswand ist geduldig

Kommentar von Louisa Eck

Tagelang leuchten riesigen Hakenkreuze und rechtsextreme Parolen von einer Hauswand in Hamburg-Lurup herunter. Dabei weiß die Polizei Bescheid.

Mit Farbe kann man Unliebsames an Wänden übermalen: Mal dauert das länger und mal geht es schneller Foto: Maurizio Gambarini/dpa

S tellen Sie sich vor: Samstagmorgen, Zeit für den Wocheneinkauf. Sie fahren also zum Supermarkt. Beim Einbiegen auf den Parkplatz stellen Sie fest, dass an einer naheliegenden Hauswand neues Graffiti aufgetaucht ist. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Bis sie genauer hinsehen und feststellen, dass es nicht irgendein Graffiti ist, sondern verfassungswidrige, rechtsextreme Symbole. Die Worte „Heil Hitler“, „Sieg Heil“ und zahlreiche Hakenkreuze sowie die Zahl 88 thronen über dem Parkplatz. „Moslem tot“ und „KZ“ steht auch dort. Zwei Tage später sind Sie erneut am Parkplatz. Das Graffiti? Noch da.

So oder so ähnlich dürfte es einigen Menschen im Hamburger Stadtteil Lurup gegangen sein. Denn laut dem Eigentümer des Hauses entstanden die rechtsextremen Symbole und Parolen in der Nacht vom vergangenen Freitag. Tagelang wurden sie geduldet, verunstalteten das Gebäude – und zogen vermutlich zahlreiche Blicke auf sich.

Eine Leserin schreibt der taz am Sonntag, die Polizei sei bereits mehrfach über die verfassungswidrigen Symbole an der Wand informiert worden – passiert sei bisher: Nichts. Erst am Dienstagmorgen werden die riesigen Hakenkreuze übermalt. Wie kann es sein, dass die Nazi-Symbole mehrere Tage bleiben durften, obwohl die Polizei Bescheid wusste? Die Antwort ist einfach: Bürokratie.

So erklärt es jedenfalls das zuständige Polizeikommissariat am Montag auf taz-Nachfrage: „Das ist uns bekannt. Wir sind da dran, die Anzeige ist schon geschrieben. Wir warten gerade, wer es wegmacht.“ Die Polizei scheint also selber nicht zu wissen, wer für die Entfernung von Nazi-Symbolen zuständig ist. „Die Stadtreinigung sieht sich nicht zuständig, weil es ein Privatgrundstück ist. Die können das ja nicht einfach wegmachen und dann irgendwem in Rechnung stellen.“

Stadtreinigung auf Privatgrund nicht zuständig

Das bestätigt die Stadtreinigung der taz: „Wir sind nur auf öffentlichem Grund zuständig.“ Es sei auch nicht möglich, dass die Polizei der Stadtreinigung einen Auftrag erteilt und dem Eigentümer die Kosten in Rechnung stellt. „Wir rühren nichts Privates an. Das dürfen wir auch gar nicht.“

Die Polizei wurde mehrfach über die verfassungswidrigen Symbole informiert – passiert ist erstmal nichts

Gut, dass die Stadtreinigung nicht einfach auf privatem Grund arbeiten darf, ist verständlich. Wer sich stattdessen um die Entfernung kümmern muss, beantwortet Benjamin Grunst, Fachanwalt für Strafrecht. „Bei der Verwendung verfassungswidriger Symbole trifft den Eigentümer der Wand eine Pflicht zur Entfernung, so lange die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch das Graffiti gefährdet wird. Wenn der Eigentümer dem nicht nachkommt, muss die Ordnungsbehörde tätig werden als Ersatzvornahme.“ Wann genau die Ordnungsbehörde tätig werden muss? Unklar. „Aber die Maßnahmen müssten in angemessener Zeit angestoßen werden“, so Grunst.

Welche Zeit als angemessen gilt, ist offenbar auch irgendwie Ermessenssache. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr hatten An­ti­fa­schis­t*in­nen auf einer Plakatwand am alternativen Kulturzentrum „Rote Flora“ im Schanzenviertel 13 Tipps gegeben, was man gegen die AfD tun könne. In diesem Fall hatten Beamte noch am selben Tag selbst zum Pinsel gegriffen und die Liste übermalt. Wegen Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ermittelte dann der Staatsschutz. Und klar, die Eigentumsverhältnisse bei der „Roten Flora“ sind komplizierter als bei einem normalen Grundstück. Aber „Moslem tot“ und „KZ“ klingen auch nach einer öffentlichen Aufforderung zur Verübung von Straftaten.

Letztendlich hat sich der Eigentümer des Gebäudes am Dienstagmorgen selbst gekümmert, dass das Graffiti übersprüht wird. Mit dem Haus habe er schon häufiger Probleme gehabt. Langfristig wolle er es ohnehin abreißen. Dass nun das Graffiti aufgetaucht ist, sei auch für ihn extrem ärgerlich. Die Symbole sind mittlerweile nicht mehr zu sehen. Aber der Eindruck bleibt: Nazi-Symbole wurden tagelang geduldet – öffentlich für alle sichtbar.

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5 Kommentare

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  • Ich sag nur Pimmel-Gate.

  • Und wie war das vor einiger Zeit als der Hamburger SPD Senator mit "Pimmel" bezeichnet wurde, anonym zunächst und dann SEHR schnell die Urheber gefunden wurden??? Hingegen aber wurden Beleidigungen gegen unbequeme Prominente nicht geahndet, weil man angeblich den Urheber nicht finden konnte?

  • An der Stelle müssten dringend klare Regeln her, wer in solch einem Fall was tun kann.



    Es kann ja auch nicht sein, dass der Eigentümer hierauf komplett allein gelassen wird.



    Welcher Privatmensch bekommt innerhalb weniger Stunden einen Handwerker, der dabei hilft? Wer weiß sofort und ohne nachzufragen, was die Versicherung hier bezahlt und was nicht? Nicht jeder kennt linke Sprayer, die liebend gerne eine passende Antwort auf die Wand zaubern können.

    • @Herma Huhn:

      In jedem Fall bin ich der Ansicht, dass rechtsradikale und linksextremistische Schmierereien gleichermaßen schnell entfernt und auch entsprechend geandet werden.

    • @Herma Huhn:

      Die Regeln sind klar wie im Artikel geschrieben.



      Wer nachfragen bei der Versicherung oder die Bestellung eines Handwerker oder das selbstständig beseitigen als Herausforderung sieht sollte sich keine Immobilien kaufen.