ausbildungsreform: Schöne Idee, nur viel zu spät
Sieht doch prima aus: Zwei Wochen nach dem innerdeutschen Schülervergleich Pisa ziehen die Berliner ein neues Schulgesetz aus der Tasche. Wieder eine Woche später folgt der bahnbrechend neue Vorschlag einer reformierten Lehrerbildung. Chapeau!, klatscht das Publikum und schickt den zuständigen Bildungssenator Böger in den wohl verdienten Urlaub.
Kommentar von CHRISTIAN FÜLLER
Leider muss niemand über die Reformeile in Hurra ausbrechen. Der Senator mag flugs mit neuen Papierchen und markigen Sprüchen glänzen – in Wahrheit ist sein Versuch nicht mehr als ein propagandistischer Reflex. Die Eltern jener ABC-Schützen, die vor wenigen Wochen als schulunfähig getestet wurden, wollen Antworten. Also gibt Böger eine – und sei es eine falsch etikettierte.
Das neue Konzept für die Lehrerbildung kann noch so gut sein – es wird zu spät kommen. Denn Schulpolitik ist von einer skandalösen Differenz der Geschwindigkeiten gekennzeichnet: Die Lern- und Lebenschancen der Kids verfallen rapide – aber der Umbau der Lehrerbildung geht in unerträglicher Langsamkeit vonstatten.
Im Studienjahr 2003/2004 startet der Modellversuch für eine neue Lehrerbildung, der eine Probezeit von geschlagenen acht Jahren hat. Freilich beginnen 70 Prozent jener Kinder in Berlins Innenstadtbezirken, die de facto als schuluntauglich eingestuft wurden, bereits in diesem August. Oder anders gesagt: Bis die neuen Pädagogen da sind, werden ihre Hauptbetroffenen wahrscheinlich schon arbeitslos sein.
Nein, Klaus Böger ist kein bisschen um seinen Job zu beneiden. Wie die Dinge liegen, kann er eigentlich nur Fehler machen. Ein gesellschaftlicher Skandal bleibt es trotzdem: Dass wir im Herzen Berlins einen Großteil der Schüler sehend in die Chancenlosigkeit laufen lassen.
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