aufreger: Indonesiens neues Strafgesetz: Gefängnis für außerehelichen Sex
Die Proteste vor dem Parlamentsgebäude in Jakarta waren am Dienstag nur klein, die Zustimmung im Saal unter den Abgeordneten sehr groß: Nachdem 2019 eine erste Reform des Strafgesetzes wegen vieler Proteste ausgesetzt worden war, passierte jetzt der überarbeitete Entwurf mit Leichtigkeit die parlamentarische Hürde. Dabei war die Kritik zuvor kaum geringer gewesen. Doch wurden die Kritiker:innen vom Vorgehen des Parlamentes offenbar überrumpelt.
Die Kritik konzentriert sich darauf, dass künftig außerehelicher Sex unter Staatsbürger:innen wie auch Ausländer:innen mit bis zu einem Jahr Gefängnis und das Zusammenleben ohne Trauschein mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft werden kann. Das, so fürchten Wirtschafts- und Tourismusvertreter, könne sich negativ auf ausländische Investitionen wie auch auf den internationalen Tourismus etwa in Bali auswirken. Zudem zeige sich an der Reform, dass konservative islamische Strömungen im Land mit der weltgrößten muslimischen Bevölkerung an Einfluss gewinnen. Die Befürworter hingegen argumentieren, als Kompromiss gegenüber dem früheren Entwurf sei hinzugefügt worden, dass die Polizei erst auf Antrag eines Familienmitgliedes ermitteln dürfe. Deshalb wären Touristen auch kaum betroffen.
Die Notwendigkeit eines neuen Strafgesetzbuchs wurde in Indonesien Berichten zufolge bereits seit den 1950er Jahren diskutiert. Das neue Gesetzespaket soll nach einer Übergangszeit von drei Jahren das alte ablösen, das noch von 1918 aus der Zeit der niederländischen Kolonialmacht stammt. Das neue Gesetzeswerk mit seinen mehr als 600 Artikeln enthält viele Paragrafen, die nach Meinung von Menschenrechtsgruppen die Bürgerrechte einschränken können. So soll künftig die Beleidigung des Präsidenten, seines Stellvertreters und anderer hoher Funktionsträger mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können. Auch Kritik an der Staatsideologie Pancasila, Werbung für Kommunismus, für Verhütungsmittel sowie für Blasphemie können Haftstrafen nach sich ziehen.
„Das neue Strafgesetz hat das Potenzial, Journalisten ins Gefängnis zu bringen“, fürchtet Sasmito Madrin vom unabhängigen Journalistenverband AJI. Der sieht 17 Artikel als Gefahr der Pressefreiheit. Für Andreas Harsono von Human Rights Watch ist das Gesetzespaket eine neue Einkommensquelle für korrupte Polizisten. Die hätten damit mehr Möglichkeiten, Schmiergelder zu verlangen. Sven Hansen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen