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american pieSpätes Glück in Ottawa

Die kanadischen Fußballerinnen haben eine eigene Profiliga. Der Start ist vielversprechend

Das war eine besonders schöne Geschichte an diesem besonderen Tag. Die Profikarriere der kanadischen Fußballnationalspielerin Desiree Scott neigt sich mit 37 Jahren unweigerlich dem Ende hin zu. Und etwas misslich war schon, dass der Mittelfeldspielerin trotz aller Erfolge nicht ein Treffer bis zum Sonntag geglückt ist. Gelegenheiten, so sollte man denken, hat es doch eigentlich genug gegeben. Mit 185 Einsätzen ist Scott lange Zeit aus dem kanadischen Nationalteam nicht wegzudenken gewesen. Und auch in der US-amerikanischen National Women’s Soccer League hat sie etliche Spiele bestritten. Ihr Spitzname „The Destroyer“ lässt vielleicht erahnen, weshalb sie vor dem gegnerischen Tor selten gefährlich auftrat. Aber ausgerechnet zur Premiere der kanadischen Profiliga, der ­Northern Super League (NSL), hat es dann doch noch geklappt – mit einem Tor am Sonntag für Ottawa Rapid.

Und auch beim Auftaktspiel zwischen den Vancouver Rise und Calgary Wild FC gab es nach dem Premierentor dieser neu geschaffenen Liga eine besondere Geschichte zu erzählen. Diesen so historischen Treffer hatte nämlich Quinn erzielt, die/der sich 2020 als non-binär outete. Dies wurde auch als großer Moment für den queeren Sport gefeiert.

Am Sonntag durfte dann der Ottawa Rapid FC sein erstes Profispiel gegen AFC Toronto austragen. Und Desiree Scott hatte ihren persönlich großen Moment. Sie drückte nach einer Ecke im Getümmel den Ball zum 2:0 über die Linie. Nach dem Schlusspfiff (Endstand 2:1) wollte sie wiederum um ihr erstes Profitor kein großes Gewese machen: „Es war kein einfaches Spiel, aber etwas bewirken zu können und den Beginn des Frauenfußballs hier zu erleben … Ich bin einfach stolz, ein Teil davon zu sein.“ Knapp 7.000 Menschen füllten die Arena in Ottawa. Das Premierenspiel der Liga in Vancouver besuchten gar doppelt so viele.

Jahre, Jahrzehnte haben sich kanadische Fußballerinnen vergebens nach einer eigenen Profiliga gesehnt. Weil das Nationalteam schon lange gut mit den Spitzenteams mithält, 2021 wurden die Kanadierinnen in Tokio gar Olympiasiegerinnen, entstand womöglich der Eindruck, dass es irgendwie so zu gehen schien. Bei der WM 2023 gab es indes nur zwei Teilnehmer ohne eigene Profiliga: Haiti und Kanada. Aber dank des Engagements insbesondere von ehemaligen Nationalspielerinnen nahm das Projekt in den letzten Jahren Formen an. Treibende Kraft war als Mitbegründerin der NSL Diana Matheson. Obendrein gab Rekordnationalspielerin und Weltrekordtorschützin Christine Sinclair (331 Einsätze, 190 Tore), das bekannteste Gesicht des kanadischen Frauenfußballs, der Liga in ihren zarten Anfängen als Mitbesitzerin von Vancouver Rise FC einigen Schwung mit. Die politischen Spannungen mit den USA und der dadurch geweckte Patriotismus dürften der eigenen neuen nationalen Profiliga derzeit zudem dienlich sein.

In der ersten Saison sind sechs Teams dabei. Bemerkenswert ist der von der NSL festgesetzte Mindestlohn von 50.000 US-Dollar in der Saison. Stolz verweisen die NSL-Verantwortlichen auf den Unterschied zu Spanien (25.000 Dollar), Italien (knapp 40.000 Dollar) und zu der „gut etablierten“ NWSL in den USA, die unter jenen 50.000 Dollar liegen würde. Deutschland bleibt unerwähnt, weil es keinen vom DFB festgesetzten Mindestlohn gibt. Die TV-Präsenz der kanadischen Profiliga ist zudem gut. Auf der Website der NSL kann man sich auch von Deutschland aus noch komplette Spiele im Nachhinein anschauen. Und eine deutsche Spielerin gibt es mit Lara Schenk bei den Montreal Roses auch. Johannes Kopp

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