ärztestreik: Patienten haben andere Interessen
Die Schmerzensschreie aus den Praxen sind unüberhörbar. Seit einem Jahr streiken die Ärzte gegen die Gesundheitsreform an. Ihre Bedenken sind berechtigt. Doch ihre Forderungen sind mitnichten im Interesse der Patienten. Denn die Medizinerlobby will die verhasste Kassenmedizin durch mehr Klassenmedizin ersetzen.
Kommentar von Anna Lehmann
Die Ärzte wehklagen, weil sie von den hiesigen Kassen viel zu wenig Geld bekommen. In der Tat müssen sich Berliner Mediziner bescheiden. Doktoren, die nach Dienstschluss im Cabrio zum Segeln düsen, sind weniger in Steglitz denn in Starnberg zu Hause. Das liegt vor allem daran, dass es in Starnberg mehr Segler und Cabriofahrer gibt, die privat versichert sind.
Mit Privatpatienten können Ärzte ihre Honorare erheblich aufbessern. Bei denen dürfen sie für die gleiche Leistung bisher das Doppelte bis Dreifache abrechnen. Das führt in der Praxis zu getrennten Wartezimmern und ungleicher Behandlung.
Die unterschiedlichen Abrechnungsmodi werden im Zuge der Gesundheitsreform nicht beseitigt, aber die Privatsätze sinken etwas. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Kassen ihre Ausgaben weiter strikt begrenzen. Das erbost die Lobbygruppen der niedergelassen Ärzte. Nur mit Privatpatienten, so argumentieren diese, könnten sich viele Praxen dann überhaupt noch über Wasser halten. Und fordern, die Unterschiede zwischen einem kleinen Teil der Versicherten und der großen Masse der gesetzlich Versicherten nicht nur zu wahren, sondern zu vertiefen.
Im Interesse der meisten Versicherten aber wäre es, wenn das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Versicherung beendet würde und alle in ein System einzahlten. Dann könnte das vorhandene Geld gerechter verteilt werden. Auch unter den Ärzten.
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