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abstieg vom olympDie Orakel des Landowsky

Weil Gott in Rätseln spricht, mussten die Ratsuchenden am Dienstagabend zum Orakel pilgern. Im Senatsgästehaus saßen die Fraktionsvorsitzenden von SPD, PDS und Grünen, als weilten sie in Delphi. Eine Pythia namens Eberhard Diepgen sollte ihnen erklären, an welchem Tag Klaus Landowsky vom Olymp herabzusteigen gedenke. Auf einem Dreifuß sitzend, so will es der Mythos, verkündete Diepgen die Antwort des Landowsky auf die Fragen der Ratsuchenden. Dabei ließ er sich durch berauschende Dämpfe aus einem Erdspalt verzücken.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Am anderen Morgen brachten die Beteiligten – altem Brauch gehorchend – die Orakelsprüche in eine kunstvolle sprachliche Form. Der Grüne Wolfgang Wieland glaubte dem Orakel des Diepgen entommen zu haben, dass Landowsky vor dem 1. Juni aus dem Kreis der Götter ausscheide. Der CDU-Kollege Uwe Goetze wollte davon nichts gehört haben. Wer von beiden saß zu nah an den Dämpfen?

Vielleicht sollten sich die Politiker der übrigen Parteien nicht an die Griechen, sondern lieber an die Römer halten. Ihnen galt es zum Beispiel als günstiges Zeichen, wenn die heiligen Hühner von dem vorgeworfenen Futter fraßen. Auch der Vogelflug gab Aufschluss über politische Entwicklungen, wobei neben Richtung und Art des Fluges auch Gattung und Stimme der Vögel von Interesse waren.

Hier ist allerdings Vorsicht angebracht. „Ein Formfehler in Beobachtung und Ausdeutung der Auspizien konnte eine Amtshandlung ungültig machen“, warnt der Brockhaus. Die CDU nähme es mit einem Augurenlächeln zur Kenntnis – dem „Lächeln der Eingeweihten über die Leichtgläubigkeit der Menge“.

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