: Zypern wählt links
Exkommunisten stellen stärkste Fraktion im Parlament. Regierung im besetzten Norden der Insel zurückgetreten
BERLIN taz ■ Bei der Parlamentswahl in der griechisch dominierten Republik Zypern hat die Linke die meisten Stimmen erhalten und stellt erstmals seit 1985 wieder die stärkste Fraktion. Die postkommunistische Fortschrittspartei des arbeitenden Volkes (Akel) kam am Sonntag auf knapp 35 Prozent und gewann damit zwei Prozent hinzu. Die bisher stärkste konservative Partei, Demokratische Sammlung (Disy), verlor bei 34 Prozent der Stimmen geringfügig. Akel erhält 20 Sitze im 56-sitzigen Parlament, Disy 19. Die ebenfalls konservative Demokratische Partei erreichte rund 15 Prozent, die stark nationalistisch geprägten Sozialdemokraten kamen auf 6,5 Prozent.
Für die Regierung hat die Parlamentswahl keine große Bedeutung, da die Verfassung dem zypriotischen Präsidenten eine sehr starke Rolle zumisst. Die Wahlen gelten vielmehr als Test für die in zwei Jahren anstehende Präsidentschaftswahl. Dann will der jetzige Präsident Glavcos Clerides nicht mehr kandidieren. Offen ist vor allem die Frage, welcher Kandidat von der linken Akel unterstützt wird.
Erstmals ins Parlament gelangen voraussichtlich die Grünen, die auf Zypern eher konservativ geprägt sind, und die rechtskonservative Partei „Neuer Horizont“.
Alle griechisch-zypriotischen Parteien streben eine rasche Mitgliedschaft in der EU an, Unterschiede bestehen vor allem bei der Frage einer Wiedervereinigung mit dem türkisch besetzten Norden. Hier neigen die konservative Disy und die Akel eher zu Kompromissen. Nach der Unterbrechung der UN-Gespräche wird für den nächsten Monat ein neues Verhandlungsangebot an griechische und türkische Zyprioten zur Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats erwartet. Dabei soll der türkischen Seite erstmals zugestanden werden, dass ein Teil der türkischen Truppen auf der Insel stationiert bleibt. Zudem soll der zyperntürkische Teilstaat eine weit reichende Autonomie erhalten. Insbesondere die EU ist an einer raschen Lösung interessiert, da sonst ein Konflikt mit der Türkei befürchtet wird. Dort lehnt man eine EU-Mitgliedschaft nur der Republik Zypern ab und droht mit der endgültigen Abspaltung Nordzyperns.
Die Frage einer EU-Mitgliedschaft war einer der Gründe für den Rücktritt der Regierung der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ in der letzten Woche. Präsident Rauf Denktasch sondiert seit gestern Möglichkeiten zur Bildung einer neuen Koalition. Es wird erwartet, dass sich die schon bisher regierende „Partei der Nationalen Einheit“ mit der ebenfalls konservativen „Demokratischen Partei“ von Denktaschs Sohn Serdar verbündet.
Der Chef der bisher mitregierenden liberalen „Kommunalen Befreiungspartei“, Mustafa Akinci, warf Staatschef Denktasch vor, er und „bestimmte Kreise in der Türkei“ hätten dafür gesorgt, dass die Koalition zerbrochen sei. „Diese Kreise stehen der Demokratisierung, einer Lösung des Zypernproblems sowie der EU-Mitgliedschaft Zyperns ablehnend gegenüber“, sagte Akinci. Auch die schwere Wirtschaftskrise im Land wird als Grund für den Regierungssturz genannt.
KLAUS HILLENBRAND
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