Zypern am Tropf der Banken: Das Ende eines Geschäftsmodells
Das Bankgeschäft hält Zypern wirtschaftlich am Laufen. Damit dürfte es für's erste vorbei sein. Am Dienstag droht der Run auf die Geldinstitute.
NIKOSIA taz | Rund 100 Millionen Euro werde die griechisch-orthodoxe Kirche Zyperns durch den Brüsseler Bankendeal verlieren, verkündete der zyprische Erzbischof Chrysostomos II. am Montag. Er wird es verschmerzen können, denn die Kirche ist unter anderem größter Grundeigentümer der Insel.
Anderen wird es mehr wehtun. Zwischen 30 und 40 Prozent dürften diejenigen verlieren, die Einlagen über die 100.000 Euro ihr Eigen nennen können, lauten erste Schätzungen. Das geht nicht nur zyprische Privatleute etwa an, sondern auch viele Ausländer – an erster Stelle wohlhabende Russen und Ukrainer, die im Steuerparadies Zypern ihr Geld geparkt haben. Das betrifft aber möglicherweise auch zyprische Pensionsfonds, deren Eigentümer nun um ihre Rente zittern müssen.
Zypern hängt am Tropf der Banken. Die zyprische Finanzindustrie übertrifft die Wirtschaftsleistung der Republik Zypern um das 7,2-Fache (in Deutschland ist es das 3,1-Fache). Etwa 68 Milliarden Euro umfassen die Bankeinlagen auf Zypern, davon sollen mehr als 20 Prozent aus Russland, der Ukraine und anderen GUS-Staaten kommen. Genau weiß das niemand, denn es gilt das Bankgeheimnis. Ebenso unklar ist, wie viel davon möglicherweise Schwarzgeld ist.
Fest steht, dass viele ausländische Firmen Dependancen in Nikosia oder Limassol wegen der sensationell niedrigen Körperschaftssteuer errichteten. Diese Firmensteuer liegt derzeit bei zehn Prozent und ist damit so niedrig wie nirgends sonst in der EU. Die Brüsseler Beschlüsse sehen vor, dass sie zunächst auf 12,5 Prozent steigen wird.
Dauerhaft verdorbenes Investitionsklima
Das Investitionsklima in die zyprische Finanzindustrie dürfte sei Montag gründlich und dauerhaft verdorben sein. Genau das war auch das erklärte Ziel unter anderem deutscher Politiker, die dieses Geschäftsmodell abwickeln wollten. Als zu hoch gelten die Risiken, wenn eine oder mehrere Banken, wie jetzt geschehen, in Schieflage geraten. Der Staat, mit nur rund 17 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt, hat keine Chance, das riesige Bankensystem zu retten.
Andererseits geht es auf Zypern auch um viele Arbeitsplätze. Die Laiki-Bank, die nun abgewickelt werden soll und deren Wert von stolzen 8,1 Milliarden Euro (2007) auf lächerliche 170 Millionen gesunken ist, beschäftigt nach Gewerkschaftsangaben auf Zypern rund 2.300 Menschen. Bei der ebenfalls schwer angeschlagenen Bank of Cyprus sind 3.200 Jobs in Gefahr. Die zweite große Geld- und Jobmaschine ist der Tourismus, und auch der könnte von der Krise betroffen sein.
Am Dienstag werden erstmals seit neun Tagen die Bankfilialen wieder ihre Türen öffnen. Was dann passiert, weiß niemand: Es droht ein Run auf das Ersparte, trotz vorher vereinbarter Finanzkontrollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu