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KommentarZynisch

■ Berlins Innensenator will Kosovo-Albaner abschieben

Noch verhandeln die Generäle über den serbischen Truppenabzug, noch hat der UN-Sicherheitsrat nichts beschlossen, noch sind nicht einmal die KFOR-Truppen im Kosovo – und schon meldet sich wieder ein deutscher Innenminister zu Wort: Eine „konsequente Rückführung“ der in Berlin lebenden Kosovo-Flüchtlinge hat Berlins Eckart Werthebach (CDU) am Wochenende gefordert und zugleich angekündigt, daß er die noch bis Juli geltende Aufenthaltsbefugnis nicht verlängern will. Wer sich der Heimreise verweigere, so Werthebach, dem drohe die Abschiebung. Zwar ließ der Innensenator das Wort „Abschiebung“ kurze Zeit später wieder dementieren – der Kern der Botschaft aber bleibt. Kriegsflüchtlinge sind nur in Kriegszeiten geduldet (oder – je nach politischem Kalkül – gewünscht), in Friedenszeiten haben sie wieder zu gehen – und zwar subito!

Daß im Kosovo nach Auffassung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping noch nicht einmal die Sicherheit für eine internationale militärische Truppe garantiert ist, schert den Innensenator offenbar nicht. Für Werthebach reicht derzeit schon die vage Hoffnung auf ein internationales Abkommen zur Auslösung des Abschiebereflexes. Fragt sich, welches politische Ziel er damit verfolgt.

Mit dem Hinweis auf die 14.000 bosnischen Flüchtlinge, die noch immer in Berlin leben, ist Werthebachs Drohung allein nicht zu erklären. Von einer Nichtverlängerung der Aufenthaltsbefugnis sind zunächst nur die 320 Berliner Kontingentflüchtlinge betroffen. Auch die Innenministerkonferenz in Dresden, auf der über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der Bundesländer gesprochen werden soll, ist nicht der Hauptgrund für Werthebachs Vorstoß. Es ist vielmehr dessen politisches Versagen, das hier mit Säbelrasseln übertönt werden soll. Die Liste der Fehlschläge ist in der Tat lang. Sie reicht von mangelnder Sicherheit für das israelische Generalkonsulat bis zum Scheitern der Deeskalation am 1. Mai. Nun ist eine solche Ablenkungsstrategie nichts Neues – auch Werthebachs Vorgänger Schönbohm hat vor seinem Abgang ins Brandenburgische schon auf dieser Klaviatur gespielt. Neu ist allerdings, daß dieses zynische Spiel auf dem Rücken derer ausgetragen wird, die einmal als Grund dafür herhalten mußten, warum von deutschen Soldaten wieder Krieg ausging. Uwe Rada

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